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Twin Mirror

Twin Mirror

Dontnods neuer Mystery-Thriller überzeugt uns leider nicht vollends.

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Obwohl erst vor wenigen Wochen die nächste Konsolengeneration eingeläutet wurde, es ist wichtig, mit der Vergangenheit in Verbindung zu bleiben. Adventures gibt es seit Jahrzehnten in verschiedenen Formen und sie haben sich immer wieder neu erfunden, um uns tolle Geschichten zu erzählen. In den letzten Jahren hat sich Dontnod Entertainment in diesem Bereich einen Namen gemacht und mit mehreren Spielen dafür gesorgt, dass dieses besondere Genre lebendig bleibt. Mit Remember Me, Life is Strange und zuletzt Tell Me Why hat das Studio die eigene Fähigkeit unter Beweis gestellt, tolle Geschichten zu erzählen, die sie mit einfachem, aber umso effektiverem Gameplay mixen. Twin Mirror verlässt diesen Weg, den das Studio bisher eingeschlagen hat, obwohl einige Charakteristika der Vorgänger erhalten bleiben.

Die Geschichte beginnt in einem Ort namens Basswood, einer früheren Bergarbeiterstadt in West Virginia. Protagonist Sam ist ein ehemaliger investigativer Journalist, der seine Heimatstadt verlassen hat, weil seine Recherche zur Schließung der örtlichen Mine führte. Anschließend kam es zu einer Reihe schmerzhafter, persönlicher Veränderungen in seinem Leben und um dem Ganzen die Krone aufzusetzen, stirbt unser bester Freund und Kollege Nick plötzlich bei einem Verkehrsunfall. Um an dessen Beerdigung teilzunehmen, und um die genauen Umstände des mysteriösen Vorfalls zu untersuchen, kehrt Sam zurück in seine Heimatstadt.

Natürlich freuen sich nicht alle darüber, Sam wiederzusehen. Frühere Bergarbeiter sind von unserer Anwesenheit nicht gerade begeistert und alte Freunde haben sich ebenfalls von Sam abgewendet. Der Journalist muss sich aber nicht nur mit diesen äußeren Eindrücken herumschlagen, denn gleichzeitig setzen ihm innere Dämonen zu, die in Schach gehalten werden wollen. Sam wird unter anderem von seinem „Double" begleitet - einer mysteriösen Figur, die nur wir sehen können. Die Rückkehr nach Basswood öffnet also jede Menge alte Wunden.

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Zusammen mit Nicks Tochter, Sams Patenkind Anna, untersuchen wir, ob es sich bei dem mysteriösen Verkehrsunfall wirklich um einen Schicksalsschlag handelt oder ob es doch Mord war.

Es gibt zwei Aspekte, die die verschiedenen Dontnod-Spiele gemeinsam haben: Zum einen gibt es eine investigative Komponente, also irgendein Geheimnis, das gelüftet werden muss. Zum anderen gibt es meist eine übernatürliche Kraft, die den Protagonisten von den anderen Figuren unterscheidet und zusätzliche Spielmechaniken ermöglicht. Im ersten Life is Strange konnten wir die Zeit zurückspulen und in Twin Mirror besitzt Sam eine Superkraft, die „Mind Palace" genannt wird. Dank dieser Fähigkeit, kann sich Sam beindruckend viele Details merken und er bekommt mit seinem analytischen Verstand Zugang zu Informationen, die ihm bei den Rätseln helfen.

Um mögliche Hypothesen aufzustellen, sucht Sam in dieser surrealen Umgebung nach Hinweisen und Verbindungen, die normalerweise nicht unbedingt auffallen würden. Wenn alle Beweise gesammelt wurden, kann er die Fakten rekonstruieren, um eigene Theorien zu erarbeiten und zu überprüfen. Diese neue Mechanik macht anfangs noch Spaß, wird aber schnell langweilig, denn weil Sam erst wirklich alle Hinweise sammeln muss, bevor er seine Hypothesen formulieren kann (obwohl die Lösung häufig schon früh ersichtlich ist), wird die Spielerfahrung in die Länge gezogen.

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Die Spielmechaniken sind nicht besonders effektiv und der Protagonist Sam entwickelt sich im Verlauf der Geschichte kaum.

Die Dialoge mit den vielen Charakteren in Basswood verlangsamen das Spiel zusätzlich und genau wie bei früheren Dontnod-Spiele beeinflussen die Beziehungen, die wir zu den verschiedenen Figuren aufbauen, unseren Weg und unseren Zugang zu Informationen. Es ist wirklich wichtig, sich immer wieder die verfügbaren Informationen im Menü anzusehen, damit man weiß, wie man die richtige Antwort findet, die Sam aktuell sucht. Dadurch findet ihr schnell eine alternative Möglichkeit, um an nützliche Details zu gelangen oder um ein klareres Bild der Lage zu erhalten.

Dabei mischt sich Sams Double immer wieder ein und wir müssen selbst entscheiden, ob wir auf unser Alter Ego hören wollen oder eben nicht. Die Untersuchung und die Handlung schreiten leider nur sehr langsam voran, da wir im Verlauf der Geschichte keine echte Verbindung zu den anderen Charakteren aufbauen können. Den meisten Figuren fehlt es leider an Tiefe, da viele Rollen schlecht charakterisiert oder nicht ausreichend ausgearbeitet wurden. Das wird für Fans der vergangenen Spiele ein echtes Problem sein, denn eigentlich lag hier immer die große Stärke des Studios.

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Die Handlung zieht sich unnötig in die Länge, dabei ist das Spiel nicht einmal besonders lang.

Die gleichen Probleme lassen sich auch bei der Beziehung von Sam und seinem Double erkennen. Im Gegensatz zu den Protagonisten der anderen Dontnod-Spiele entwickelt sich Sam nämlich nicht weiter und stagniert schon sehr früh. Da die Hauptfigur nicht mit der Handlung mitwächst, wird Sam mit steigender Spielzeit auch nicht wirklich interessanter. Selbst die Spielmechanik der moralischen Entscheidungen, die immer ein charakteristisches Element der Dontnod-Titel waren, haben in Twin Mirror kein bemerkbares Gewicht verliehen bekommen.

Die Erzählstruktur des Titels kann deshalb nicht überzeugen, allerdings ist diese Arbeit technisch und vor allem grafisch gesehen wirklich gelungen. Dank der Unreal Engine kann Twin Mirror mit tollen Details und Lichteffekten glänzen und obwohl wir noch weit vom Fotorealismus anderer Spiele dieses Genre entfernt sind, ist das mit Blick auf die anderen Arbeiten des Studios eine echte Überraschung. Ich bin bei meinem Spielverlauf auch auf keinerlei Probleme gestoßen, das ist also ein großer Schritt nach vorne.

Ein potentieller Mord, eine Kleinstadt voller dunkler Geheimnisse und ein Protagonist mit problematischer Vergangenheit: Twin Mirror besitzt viele Anknüpfpunkte für eine packende Geschichte, doch sie bleiben ungenutzt. Dontnods neues Spiel gerät nie wirklich in Fahrt, da wir keine echte Bindung zu den Figuren aufbauen. Technisch und grafisch ist Twin Mirror wirklich überzeugend, doch der Plot und die Charaktere - die bislang immer zu den Stärken des Studios gehörten - sorgen für ein dünnes Abenteuer, das uns nie wirklich packt. Es ist absolut kein schlechtes Spiel, nur fehlt ihm leider die Seele.

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06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
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visuell beeindruckend, technisch überzeugende Arbeit, schöner Soundtrack, Story startet stark...
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...hat jedoch Schwierigkeiten, den Spieler einzubeziehen. Charaktere sind nicht sonderlich charismatisch, langsame Spielmechaniken.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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