Transport Tycoon

Es war die erste große Liebe. Fast zwanzig Jahre ist das her. Ich habe damals zum ersten Mal echt was investiert und danach noch einmal richtig viel Zeit reingesteckt. Es war aber eben auch Liebe auf den ersten Blick - mit Kribbeln im Bauch und feuchten Händen. Der erste Gedanke am Morgen und der letzte Gedanke am Abend, nie konnte ich den Kopf ganz frei bekommen. Und obwohl wir uns trotzdem irgendwann trennten, weil wir einfach nicht mehr kompatibel waren, so haben wir uns über all die Jahre immer wieder gesehen und jedes Mal, war es wie das erste Mal. Nichts war vergleichbar mit Transport Tycoon.

Chris Sawyer hat ein Spiel geschaffen, das realistisch und simpel zu gleich ist. Als Leiter eines Transportunternehmens mussten wir Autos, Züge, Flugzeuge und Schiffe nutzen, um Güter und Personen zu transportieren. Wir bauten Bahnhöfe und Flughäfen, errichteten einen komplette Infrastruktur mit effienten Verkehrswegen - um immer mehr Profit zu machen. Tatsächlich ist Transport Tycoon im Wesentlichen auch schuld daran, warum ich heute so an Wirtschaftssimulationen hänge. Und das obwohl es danach wenige Spiele tatsächlich geschafft haben, eine so gute Mischung aus Komplexität und Übersichtlichkeit zu bieten. Transport Tycoon war so gut, dass irgendwann mit OpenTTD eine freie Version erschien, die bis heute mit Updates versorgt wird.

Die Ankündigung, dass Transport Tycoon für iOS und Android umgesetzt wird, löste natürlich viel Freude aus. Und das Chris Sawyer daran mitgewirkt hat, war beruhigend. Und als ich dann die Beta gespielt habe, waren tatsächlich all meine Sorgen verflogen. Es wurde wirklich fast alles aus dem einstigem Spiel übernommen und sogar Straßenbahn sind jetzt mit dabei. Der Bau von Strecken wurde perfekt an die Touchsteuerung angepasst. Wir klicken an die Stelle, an der wir beginnen wollen, wählen dann aus, in welche Richtung und ob wir ein gerades Streckenstück oder eine Kurve bauen wollen. Bei gerader Strecke geht der Bau dann entsprechend flott und ich habe selbst gestaunt, wie schnell und einfach ich trotz fummeliger Fingersteuerung vorankomme. Sogar Tunnel sind mit dabei, auch wenn deren Konstruktion ohne die Automatikfunktion aus dem PC-Spiel etwas schwieriger ist.

Auch der Bau von Bahnhöfen wurde angepasst und erfolgt immer direkt auf der gewünschten Strecke. Warum das gut so ist, erleben wir, wenn wir einen Flughafen bauen wollen. Ein großes Objekt zu platzieren, ohne direkt die Außmaße in Form des Umrisses zu erkennen, ist nicht ganz einfach. Der Kniff, Bahnhöfe und Haltestellen auf diese Weise zu bauen, hat eine gute Gelegenheit für Frust ausgemerzt. Ebenso wurden die Menüs so überarbeitet, dass es nicht zu viele Informationen für den kleinen Bildschirm gibt und wir können keine Konkurrenten aufkaufen wie noch in Transport Tycoon Deluxe. Aber eigentlich können wir mit fast allem ganz gut leben. Ja, die gelungene Steuerung überzeugt uns davon, dass für eine angenehme Spielerfahrung, Abstriche hinnehmen müssen.

Zwei Sachen allerdings sind wirklich schade. Zum einen gibt es kein freies Spiel mehr. Wollen wir einfach drauflos bauen, müssen wir zunächst eine Karte mit einer Mission wählen und diese erledigen. Danach können wir machen was wir wollen. Freunde von Wirtschaftssimulationen, so behaupte einfach mal dreist, interessieren sich aber einen feuchten Kehricht für so etwas wie Missionen oder Kampagnen. Um das Spiel kennenzulernen oder eine besondere Herausforderung zu erleben, mag dies eine nette Zugabe sein. Eigentlich aber ist der freie Spielmodus in der Regel der Kern, der den Dauerspaß befeuert.

Das zweite Ärgernis ist etwas kleiner, kann aber im Zweifel auch dramatischere Ausmaße annehmen. Im Original nämlich konnten wir Städte bestechen, wenn sie uns nicht mehr wohl gesonnen waren. In der mobilen Variante kann es immer noch passieren, dass uns eine Gemeinde plötzlich hasst, weil wir zuviel vom Stadtbild zerstört haben. Bestechen dürfen wir sie diesmal allerdings nicht. Beim Bau von kleineren Projekten lässt sich das Problem meist umgehen. Wer einen großen Flughafen in Planung hat, wird allerdings manchmal nicht darum herumkommen, ein bisschen grober zu werden.

Verzichtet wurde übrigens auch auf Depots sowie Wartung und Reparatur. Unsere Fahrzeuge können immer noch kaputt gehen und wir müssen daher beim Kauf entscheiden, wie viel Risiko wir eingehen wollen. Fahrzeuge werden einfach direkt auf der Strecke platziert und dann Routen geplant. Am Anfang ist das für Freunde des Originals merkwürdig, aber schnell merken wir dann doch, wie sinnvoll diese Entscheidung war. Und das beispielsweise nicht einmal Signale fehlen und wir so bestimmte Passagen auch eingleisig befahren können, zeigt nur, dass sich das Team wirklich Gedanken gemacht hat, was vernachlässigbar ist und was auf keinen Fall fehlen sollte.

Technisch bietet uns Transport Tycoon die bekannte Pixeloptik. Das ist nicht immer hübsch, mindestens aber liebevoll. Echte 3D-Grafik hätte dem Spiel auch gar nicht gestanden. Ein paar Bugs hat das Spiel auch noch, die werden hoffentlich bald behoben. Für Anhänger von Transport Tycoon noch der Hinweis, dass die Musik übrigens genauso lahm ist wie im Original. Und ich kann mir vorstellen, dass einige jetzt ein Grinsen im Gesicht haben. Alle anderen dürfen gern den Ton ausstellen und ihre eigene Musik anmachen.

Ein weiterer Pluspunkt ist, dass Transport Tycoon komplett in deutscher Sprache vorhanden ist und es eine ausführliche Hilfe mit Erklärungen gibt. Gerade die alten Hasen von früher werden dies zu schätzen wissen, wenn sie sich erneut um ein florierendes Unternehmen kümmern wollen. Und wer noch mehr aus dem Spiel rausholen will, soll schon bald im App Store den kostenlosen Transport Tycoon Companion mit vielen Tipps und Tricks finden. Manche werden dies auch brauchen. Transport Tycoon ist wohl die Simulation für iOS und Android, die zum ersten Mal ganz ernsthaft diese Bezeichnung verdient - denn sie hat tatsächlich Tiefe. Und der Preis von 5,99 Euro ist dafür ziemlich gerechtfertigt.