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Train Simulator 2013

Train Simulator 2013

Die Zeiten, in denen Dampflokomotiven das Nonplusultra der Technik darstellten und alle jungen Männer Lokführer werden wollten, die sind lange vorbei. Heute nehmen wir Züge nur wahr, wenn sie zu spät kommen oder wenn im Winter die Heizung ausfällt. Und Lokführer will auch kaum jemand mehr werden. Schafft es die neueste Version des Train Simulator, die Faszination zurückzubringen?

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Es ist Winter in Deutschland. Heute liegt es an uns, die Regionalbahn von München nach Augsburg zu fahren. Unterwegs machen wir Halt in so schönen Orten wie Haspelmoor, Althengenberg und Mering-St Afra, ganz wie wir es von einem Bummelzug gewöhnt sind. Unsere Lok ist eine rote DBAG. Irgendwie sieht sie echt schick aus, wie sie dort auf dem Gleis steht, unberührt von Eis und Schnee, wie frisch aus der Fabrik. 6400kW Dauerleistung bringt die Lok, genug um unsere acht Wagons auf 220 Stundenkilometer zu beschleunigen.

Im Führerhaus erfreuen wir uns am Detailgrad der Armaturen und an den eisigen Tropfen auf der Windschutzscheibe. Das HUD blenden wir aus. Wir bedienen die Regler mit der Maus und lesen die Anzeigen selbst ab, für maximalen Realismus und unverfälschtes Fahrgefühl. Die nächsten vierzig Minuten muss man nun die Geschwindigkeit halten, auf Durchfahrtssignale achten und Weichen stellen. Hört sich einfach an, erfordert aber viel Konzentration. Bahnfahren ist Präzisionsarbeit.

Train Simulator 2013
Die Grafik gleicht einem Zwei-Klassensystem. Die Züge sind schön und detailreich - die Landschaften, die Fahrgäste und die Animationen dagegen sind klare Verlierer.

Vier neue Strecken stehen uns im Train Simulator 2013 zur Verfügung: München-Augsburg, Hagen-Siegen, Oxford-Paddington und die Isle of Wight. Hinzu kommen 16 Loks von der historischen Dampflokomotive über den Wartungswagen bis zum modernen Hochgeschwindigkeitszug. Das Angebot ist ausreichend, aber nicht üppig. Die 73 Add-Ons für weitere Züge und Strecken hingegen bieten eine fantastische Auswahl und lassen Sammlerherzen höher schlagen. Wie gewohnt kassiert der Entwickler Railsimulator.com dabei ordentlich ab. Die 73 Add-Ons summieren sich auf über 1000 Euro.

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Der Karten-Editor hat sich nicht großartig verändert. Mit ein bisschen Übung erstellen wir hier wie gewohnt unsere eigenen Strecken und Szenarien. Neu ist die Nutzung des Steam-Workshops. Über das Tool organisieren wir uns mit anderen Spielern, veröffentlichen Szenarien oder spielen fremde Missionen. Dank der lebhaften Community funktioniert das ganz ausgezeichnet und bringt viel Abwechslung ins Spiel. Hier liegt das wahre Suchtpotenzial von Train Simulator 2013 und die Gewissheit, dass über die Standardmissionen hinaus Inhalte und Herausforderungen bereitstehen.

Die Grafik gleicht einem Zwei-Klassensystem. Die Züge sind schön und detailreich, sie sind die Gewinner. Die Landschaften, die Fahrgäste und die Animationen dagegen sind klare Verlierer. Im Vergleich zu dem, was heute grafisch möglich ist, liegt die Optik aber nach wie vor hinter der Konkurrenz zurück. Immer wieder und besonders bei Schnee oder Regen rutscht die Framerate in den Keller. Die Texturen sind fade und die Fahrgäste sehen nicht nur aus wie leblose Guhls, sie verhalten sich auch so. Jede Modelleisenbahnwelt, die derart lieblos mit ihren Statisten und der Landschaft umgeht, würde schnell dicht machen müssen.

Train Simulator 2013Train Simulator 2013
Von innen wie von außen präsentieren sich die Züge von ihrer schönsten Seite.

Ein Simulator ist keine Entschuldigung für lieblose Grafik. Im Gegenteil: Gerade Eisenbahn-Liebhabern liegt viel an Details, auf und abseits der Strecke. Warum also trägt die Frau am Bahnsteig auch im Winter ein Sommerkleid? Warum gibt es keine Einstiegs-Animation für die Fahrgäste? Warum sehen wir unsere Hände nicht? Die Loks sind nur so schön wie die Welt, durch die sie fahren. Und wenn wir die Grafik des Eisenbahn-Simulator mit der einer Rennsimulation wie Forza Motorsport 4 vergleichen, wird schnell deutlich, wo der Unterschied liegt.

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Aber vergessen wir die Grafik für einen Moment und konzentrieren uns auf die Benutzerfreundlichkeit. Alte Eisenbahner werden keine Probleme haben, mit den Anforderungen des Schienenverkehrs klarzukommen. Einsteiger hingegen sind komplett überfordert. Da das Lokführer-Leben monoton genug ist, hätte es sich wunderbar angeboten, einen Karriere-Modus zu basteln, in dem wir an der Seite eines alten Veteranen die Grundkenntnisse vermittelt bekommen. Stattdessen lernen wir alles auf die harte Tour.

Ein Großteil der Zeit verbringen wir damit, die Geschwindigkeit anzupassen, was Dank der schwammigen Steuerung in eine wahre Sysiphos-Arbeit ausartet. Auch die Tastenbelegung könnte besser sein. Vorwärts findet sich links auf der Taste A, Rückwärts rechts auf der Taste D, mit W uns S beschleunigen wir. Das führt besonders in Stresssituationen immer wieder zu Verwechslungen. Katastrophal wird es, wenn wir eine Weiche umstellen und dafür die Streckenkarte aufrufen. Diese sieht aus wie Spagetti ohne Soße. Da dem Mausrad keine Zoom-Funktion zugewiesen ist, wird die Navigation zum Klick-Marathon.

Auch die Sprachausgabe ist keine große Hilfe. Immer wieder kommt es vor, dass verschiedene Sprachen durcheinander gewürfelt werden und wir unsere Instruktionen zum Beispiel auf Holländisch erhalten. Aber auch die deutsche Ausgabe verstört. So werden wir in einer Mission aufgefordert, die "Schlipsträger" vom Bahnsteig 13 abzuholen. So eine beleidigende Bezeichnung von Fahrgästen passt nicht ins Bild.

Train Simulator 2013
Unter anderem dürfen wir dieses Mal die Hochgeschwindigkeitsstrecke von München nach Augsburg mit dem ICE fahren.

Die Züge hingegen klingen alle ausnahmslos toll und individuell, je nachdem, ob wir eine Diesel-, eine Elektro- oder eine Dampflok fahren. Abgesehen von dem monotonen Brummer der Maschinen gibt es jedoch nichts zu hören. Auf langen Fahrten wirkt das einschläfernd. Ein bisschen Funkverkehr oder Durchsagen im Zug hätten geholfen, das triste Lokführerdasein zu verbessern.

Am Ende jeder Fahrt wartet ein ausführlicher Bericht auf uns. Dieser besteht in der Regel aus einer seitenlangen Auflistung unserer Fahrfehler, von denen die Hälfte Geschwindigkeitsüberschreitungen sind, da schon ein Kilometer über dem Limit geahndet wird. Komisch ist auch, dass wir durchweg guten Noten für den Fahrgastkomfort erhalten, obwohl der G-Kräfte-Messer in mehreren Kurven voll ausschlagen hat. Da es keinen wirklichen Karrieremodus oder ein Belohnungssystem gibt, bieten die Berichte keinen Anreiz, das nächste Mal besser zu fahren. Konkurrenz entsteht erst, wenn wir online gegen andere Spieler antreten.

Trotz alledem gelingt es dem Train Simulator 2013 erneut, ein einzigartiges Fahrgefühl zu erzeugen. Die schwerfälligen Kolosse haben etwas Anmutiges an sich und sie zu bewegen erfordert viel Geschick. Die Königsdisziplin hier sind ohne Zweifel die alten Dampflokomotiven. Die Fahrphysik gehört zu den Glanzleistungen des Spiels und leistet ganze Arbeit, die Trägheit, das Gewicht und die Kraft der Loks glaubwürdig zu vermitteln. Allen Ärgernissen zum Trotz überkommt einen jedes Mal diese Zufriedenheit, wenn man pünktlich am Zielort einfährt.

Train Simulator 2013 ist kein schlechtes Spiel und besonders Fans der Serie werden ihm treu bleiben. Daran ist nichts falsch. Aber ein Spiel muss auch eine Entwicklung vorweisen. Es reicht nicht aus, sich auf erkämpften Lorbeeren auszuruhen. Das gilt insbesondere dann, wenn es so viele Bereiche gibt, wo dringend Nachholbedarf besteht. Warum sollten wir den Train Simulator 2013 kaufen, wenn es keine nennenswerten Verbesserungen zum Vorgänger gibt? Wir legen die Messlatte hoch an für dieses Spiel. Das liegt auch an den Preisen, die Railsimulator.com seinen Kunden abverlangt. Die Entwickler haben die Verkaufszahlen, um ein besseres Produkt abzuliefern. Und ihre Fans hätten es verdient.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
die Züge, der Sound, die Fahrphysik
-
lieblose Grafik, keine Animationen, schwammige Steuerung, wenig benutzerfreundlich, kein Tutorial
overall score
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