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The Witcher

The Witcher: Staffel 2 (Netflix)

Abgesehen von den ersten beiden Episoden ist die zweite Staffel von Netflix' Fantasy-Geschichte eine massive Enttäuschung.

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Ich mochte die erste Staffel der oft unverständlich langatmig strukturierten Netflix-Adaption von Andrzej Sapkowskis gefeiertem Fantasy-Franchise sehr. Viele Monate lang habe ich mich deshalb darauf gefreut, Geralt von Riva weiter zu verfolgen. Normalerweise stehe ich nicht so sehr auf Fantasy, weil mir Magie meist ein bisschen zu bunt und zu albern ist. The Witcher ist jedoch schmutziger, dunkler, rauer und es gibt Nacktheit, Sex, Gewalt, große, schleimige Dämonenmonster und unvollkommene Charaktere voller Dunkelheit in den Werken des polnischen Schriftstellers.

Aber um ganz ehrlich zu sein, gab es in der ersten Staffel schon ein paar Dinge, die mir Sorgen bereiteten. Mit der zweiten Staffel hatte Netflix nun die Chance, sich von vielen Altlasten zu befreien, die die erste Staffel in Mitleidenschaft gezogen haben. Die neuen Folgen fangen gut an, ungefähr so, wie ich es mir erhofft hatte und wie es uns die Drehbuchautorin Lauren Schmidt Hissrich im Vorfeld versprochen hat. Die zweite Staffel verschwendet keine Zeit mehr für die zeitsprunghafte Weltpolitik, das Ränkespiel hinter den Kulissen oder die Vetternwirtschaft innerhalb der Monarchie. Stattdessen konzentrieren wir uns auf Geralt und Ciri, die durch dunkle Wälder reisen, um den Weg zur Festung zu finden, in der Geralt aufgewachsen ist.

Der Monsterjäger, gespielt von Henry Cavill, übernimmt währenddessen widerwillig die Verantwortung für Prinzessin Cirilla von Cintra, die ihre Eltern während des Cintra-Massakers am Ende der ersten Staffel verlor. Ihre gemeinsame Reise beginnt auf befriedigende Art und Weise, denn Geralt muss die Rolle des Ersatzvaters für Ciri übernehmen und lernen, die Verantwortung zu tragen. Er bildet sie deshalb in den Lehren der Hexer aus, damit sie sich gegen die Nilfgard-Soldaten, Monster und alles andere, was ihr Leben bedrohen könnte, verteidigen kann.

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Es fällt auf, dass Netflix viel investiert hat, um die Geschichte in der zweiten Staffel viel stärker zu konzentrieren, zumindest anfangs. Genau wie in den Büchern besteht der Kern aus Porträts nuancierter, facettenreicher Charaktere, die eine Art Pflegefamilie bilden und gemeinsam versuchen, einer dunklen, unwirtlichen und unbarmherzigen Welt die Stirn zu bieten. Ich bekomme definitiv das Gefühl, dass Staffel zwei um die richtigen Kernwerte herum strukturiert wurde, aber dieses Gefühl hält leider nicht sehr lange an. Nach den ersten beiden Episoden, die ich für die mit Abstand besten der Staffel halte, fühlt es sich ein wenig so an, als hätte die Staffel plötzlich Budgetprobleme und wäre gezwungen gewesen, an allem zu sparen, von den Kostümen bis hin zu den Umgebungen.

Die Waldszenen sehen beispielsweise so aus, als wären sie in einer Theaterwerkstatt aufgenommen worden, und wenn die Perspektive zu einer fliehenden Yennefer wechselt, verliert die Serie an Schwung wie nie zuvor. Obwohl sowohl die Bücher als auch die in jeder Hinsicht fantastischen Lizenzspiele von CD Projekt ihr Publikum fanden und sich sehr gut verkauften, denke ich, dass Netflix ein wenig davon überrascht war, wie extrem populär die erste Staffel ihrer Serienadaption wurde. Deshalb wurde leider die falsche Entscheidung getroffen, die Serie in all den Bereichen abzuschwächen, die aus The Witcher mehr als eine klassische Fantasiegeschichte werden lassen.

Die zweite Staffel fühlt sich, vor allem ab der dritten Folge, in Bezug auf den Ton und die Einstellung ein wenig wie ein Spin-Off an. Geralt flucht plötzlich nicht mehr, und er wirkt nicht mehr so unbarmherzig hart und brutal wie noch in der ersten Staffel. Natürlich hat das auch damit zu tun, dass er Verantwortung für ein Waisenmädchen übernimmt, aber vieles ist eben eine betonte Nachkonstruktion, die in erster Linie dazu dient, die Altersgrenze herabzusetzen oder zumindest ein breiteres Zielpublikum, einschließlich jüngerer Zuschauer, anzusprechen. In The Witcher: Staffel 2 gibt es keine Nacktheit mehr. Es gibt kein Blut (abgesehen von Barden Jaskiers hartnäckigem Nasenbluten), kein Sex und extrem wenige Schimpfwörter. Dazu kommt, dass die Serie mit Episode vier, fünf und sechs geschichtlich auf der Stelle tritt, was es zu einer faden, langweiligen Staffel macht, wenn man vom starken Anfang absieht.

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The Witcher S2 nimmt nie Fahrt auf, das Drehbuch lässt einige der Hauptcharaktere (u.a. Triss, Ciri und Vesemir) am ehesten an hohle, lieblose Nebenfiguren erinnern und jede einzelne Episode nach den ersten Zweien empfand ich als mehr als doppelt so lang, wie sie tatsächlich sind. Die meisten Ideen laufen ins Leere und auch die Effekte sind oft nicht von der gleichen Qualität, wie noch in der ersten Staffel. Ich finde es auch nach wie vor etwas schwer zu glauben, dass die 20-jährige Freya Allan die 12/13 Jahre alte Ciri spielen soll. Natürlich sieht man der Schauspielerin schon aus der Ferne an, dass sie erwachsen ist und nur versucht, wie ein hilfloses Kind zu wirken, aber das funktioniert für mich überhaupt nicht. Vor allem nicht in der Szene, in der ein entschlossener und mürrischer Geralt die Zwanzigjährige darauf hinweisen muss, dass es wichtig ist, nachts zu schlafen. In diesen Momenten wird die ganze Dynamik zwischen den beiden geradezu pathetisch.

Alles in allem ist die zweite Staffel von The Witcher also eine echte Enttäuschung. Die Dialoge sind mittelmäßig, Netflix ist viel zu sehr vom Buch abgewichen und die Besetzung bleibt bestenfalls zweifelhaft. Die Episoden wirken langatmig und zäh, und vieles, was im Mittelpunkt steht, stagniert - etwas, das in der ersten Staffel nicht der Fall war. Wenn The Witcher fortgesetzt werden soll, braucht es ein besseres Drehbuch, bessere Effekte, eine Geschichte, die dem Buch treuer ist, und bessere Schauspieler.

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05 Gamereactor Deutschland
5 / 10
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