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The Artful Escape

The Artful Escape

Wir haben uns dieser bunten Rockoper angenommen und Gitarrensolos gespielt, bis unsere Finger bluten.

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The Artful Escape bietet eine traumhaft schöne und oft psychedelische Welt, die wir gerne etwas mehr erkundet hätten.

In der fiktiven Kleinstadt Calypso in Colorado, USA, spielt ein junger Mann mit Brille und etwas zerzaustem Haar Gitarre. Sein Name ist Francis Vendretti und sein Onkel ist kein Geringerer als der berühmte, aber inzwischen verstorbene Folksänger Johnson Vendretti. Johnson ist einem bestimmten Bob Dylan unglaublich ähnlich und es ist gewollt, dass wir diese schillernde Figur der jüngeren Musikgeschichte erwähnen. Francis spielt ein paar leichte Akkorde auf seiner abgenutzten, alten Gitarre, doch schon bald wird aus dem Geklimper ein wirklich fettes Solo, von denen Yngwie Malmsteen selbst möglicherweise beeindruckt sein würde.

Der junge Mann ist nervös, denn er wird bald sein allererstes Konzert spielen; eine Hommage an seinen viel berühmteren Onkel. Die Halle ist ausverkauft und Francis fühlt sich wie eine verlorene Seele, von der erwartet wird, dass sie die nächste Version seines unsterblichen Onkels wird. Der Druck auf unserem Helden ist groß und man spürt förmlich das Gewicht, das auf seinen Schultern lastet. Tief in seinem Inneren ist es überhaupt nicht das, was er vom Leben und von seiner Musik will. Meistens lässt er sich Zeit, schlendert gedankenverloren umher und übt für den nächsten großen Gig, der am nächsten Tag vorbei sein wird. Doch in dieser Nacht tauchen ein mysteriöser Außerirdischer und eine ebenso mysteriöse Rocklegende auf, die Francis auf eine besonders psychedelische, aber schöne Reise durch Zeit und Raum mitnehmen, und ihn somit für immer verändern.

The Artful Escape hat eine bunte und unglaublich schöne Welt und die Stadt Calypso versprüht genau den Charme, der mir in den Sinn kommt, wenn ich an amerikanische Kleinstädte denke. Sie fühlt sich gemütlich und bodenständig an, wirkt dank kleiner Cafés und Buchhandlungen etwas verschlafen und ich würde sie gerne erkunden. Leider gibt es keine Möglichkeit mit diesem Ort zu interagieren und beispielsweise in die Gebäude hineinschauen zu können. Dieser Schauplatz ist zwar vollgepackt mit schönen und abwechslungsreichen Umgebungen, doch spielerisch ist er ehrlich gesagt etwas langweilig. Weil der Rest des Spiels so gut geworden ist, hätte ich gerne die Gelegenheit gehabt, mehr über die Wurzeln von Francis und seinem Onkel zu erfahren.

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The Artful Escape wurde vom Schöpfer Johnny Galvatron als psychedelische Rockoper mit viel Plattforming und Dialogen beschrieben. Die Erfahrung wurde von Giganten wie Stanley Kubrick und Stephen Spielberg stark beeinflusst und das ist an einigen Stellen unbestreitbar. Auch die Musik ist makellos, denn das muss sie in einem solchen Spiel auch sein. Mich erinnert Francis' E-Gitarren-Stil an die legendären Soli von Brian May von Queen. Erzählerisch ist Galvatron in erster Linie von Douglas Adams inspiriert worden und wenn ihr irgendwann in eurem Leben "Per Anhalter durch die Galaxis" gelesen oder gesehen haben solltet, werdet ihr den Stil und den subtilen, aber brillanten Humor sofort erkennen. Auch hier gibt es eine Reihe von Referenzen, aber am offensichtlichsten wird es an den Dialogen des Spiels, die oft wegschweben und sich, wie beim Vorbild, in alle Richtungen gleichzeitig ausbreiten.

Die Sprachausgabe ist von Anfang bis Ende absolut hervorragend, denn bei einem so starken Ensemble, bestehend aus unter anderem Lena Headey, Carl Weathers und Jason Schwartzmann, kann die Darstellung ja fast nur gut werden. The Artful Escape enthält viele sehr gut geschriebene Dialoge und ab und zu haben wir sogar mehrere Antwortmöglichkeiten zur Auswahl. Das beeinflusst aber nicht in irgendeiner Weise ein Ende, sondern lediglich, wie wir mit unserer Umgebung interagieren und wie unterschiedliche Leute auf uns reagieren. Auf diese Weise könnt ihr jemanden kurzzeitig verstimmen, mehr passiert aber eigentlich nicht.

Auf dem Weg durch das Spiel werdet ihr auf ein oder zwei Bosse stoßen, aber das sind keine echten Feinde, die man bekämpfen muss. Waffen gibt es nicht und ihr seid lediglich mit einer E-Gitarre ausgestattet - schließlich weiß man ja nie, wann man das nächste Gitarrensolo raushauen muss. Die Gitarre erfüllt eine Reihe von Funktionen, denn ihr benötigt sie zum Beispiel, um mit den Bossen zu jammen oder um Portale oder versperrte Passagen zu aktivieren. Man kann auch einfach durch die Welt rennen und Francis auf Befehl hin musizieren lassen, bis seine Fingerspitzen rauchen. Dadurch erwacht alles um uns herum zum Leben. Die Lichter gehen an, Blumen blühen auf und wenn bereits Hintergrundmusik läuft, fügt sich Francis' sehr gut in die Melodie ein.

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Ihr lauft in The Artful Escape nicht Gefahr, in einem Kampf zu sterben oder das Spiel neu starten zu müssen, denn im schlimmsten Fall wiederholt ihr eine Situation einfach ein weiteres Mal. Wenn ihr auf einen Boss trefft, dann holt ihr natürlich ebenfalls eure Gitarre raus und spielt zusammen ein wenig! Euer Gegenüber gibt ein paar Töne vor, die man sich merken und anschließend wiedergeben muss. Die Notenfolgen werden mit der Zeit immer komplizierter, aber es geht eigentlich nur darum, richtig zu spielen und den Anderen auf diese Weise zu beeindrucken. Das Schlimmste, was passieren kann, ist wie gesagt, dass man die falsche Note spielt und den aktuellen Abschnitt dann noch einmal von vorne beginnen muss. Es ist anfangs etwas knifflig, aber das legt sich schnell und es ist wirklich nicht nervig. The Artful Escape glänzt in dieser Hinsicht, denn es gibt nichts Vergleichbares.

Wenn ich etwas kritisieren muss, dann ist es höchstens die Spieldauer. Ich habe knapp sieben Stunden gebraucht, um das Abenteuer durchzuspielen und ich hätte ohne Zweifel noch mindestens genauso lange weiterspielen können. Der Titel ist sehr linear, mit wenigen Möglichkeiten zur Erkundung. Sammlerstücke, die man unterwegs mitnehmen kann, gibt es leider auch nicht. Ein zweiter Spieldurchlauf dürfte für viele zu langweilig sein, deshalb wäre es sicherlich verlockender gewesen, wenn man zumindest einige Dinge finden könnte, die man beim ersten Mal vergessen hat. Warum nicht ein paar alte, handgeschriebene Texte von Francis' verstorbenem Onkel einfügen? Klar, das ist ein kleiner Kritikpunkt, der das Erlebnis am Ende nicht in irgendeiner Weise verdirbt, aber gleichzeitig auch etwas, das man bei einer möglichen Fortsetzung im Hinterkopf behalten könnte.

Also, fassen wir das alles noch mal zusammen: Musik, Aliens, Gitarrensoli und eine gehörige Portion Humor - kann man von einem Spiel noch viel mehr verlangen? Vielleicht, Fakt ist aber auch, dass man mit diesen Zutaten sehr weit kommen kann und in The Artful Escape sind all diese Elemente geradezu meisterhaft miteinander vermischt worden. Auf euch wartet eine unglaubliche Reise und ein episches Abenteuer, das ihr nicht verpassen solltet.

The Artful Escape
Wir spielen als Francis Vendretti, der im Schatten des berühmten Musikers Johnson Vendretti steht.
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Statt Bosse zu bekämpfen, beeindrucken wir unsere Widersacher mit unseren Fähigkeiten an der Gitarre.
08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
unglaublich schöner Stil, gut geschriebene Geschichte, brillante Sprachausgabe, völlig einzigartiges Layout, Musikfans werden sicher inspiriert.
-
etwas zu kurz, sehr linear, Erkundung wurde weitestgehend zurückgefahren.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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KRITIK. Von Niclas Wallin

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