Jedes Mal, wenn ein neues Sonic-Spiel erscheint, erweckt das ganze Gerede von Fans und Entwickler den Anschein, als würden beide darauf hoffen, dass dieses neue Spiel dem Igel wieder Relevanz einhaucht. Sie hoffen, dass Sonic im Umkehrschluss wieder zu einer echten Konkurrenz für Mario wird. Allerdings müssen wir uns tatsächlich mehr und mehr fragen, wann Sonic zuletzt eigentlich oben auf war. Die letzten zehn Jahre jedenfalls hat Sega so ziemlich jeden altbekannten Trick genutzt - mit eher mäßigem Erfolg und gerade deshalb scheint sich Sonic Lost World nun mehr denn je beim Mario-Universum zu bedienen.
Sonic Lost World ist im Grunde ein Sonic-Titel, der Super Mario Galaxy imitiert. Das ist natürlich eine krasse Übertreibung, die aber mehr als nur ein Körnchen Wahrheit enthält. Zugeben werden das die Entwickler aber wohl nie.
Die Formel des Spiels ist auf den ersten Blick bekannt. Alles ist so, wie wir es schon viele Male gesehen haben. Das neue Sonic-Abenteuer greift auf ein geteiltes Gameplay zwischen 2D und 3D zurück. Die dreidimensionalen Level sind nicht länger nur eine Aneinanderreihung gerader Rennlinien. Stattdessen geht es in zylinderförmige Rohre, die Sonic in ihrer gesamten Länge und auch in ihrem vollen Umfang durchläuft.
Dieselbe Idee hatte schon Nintendo bei Super Mario Galaxy. Dort durften wir mit Mario in allen Ecken auf die Suche nach Sternen und anderen Geheimnissen gehen. Sonic auf der anderen Seite hatte schon immer mehr Power in der Hinterhand und deshalb gerät das Erkunden der Level bei all der Raserei eher in den Hintergrund. Stattdessen verstärken das neue Gameplay und die Perspektive den bekannten Achterbahn-Effekt, der seit Sonics erstem Abenteuer in der 3D-Welt immer mehr in den Vordergrund rückte.
Das Ergebnis ist durchwachsen und funktioniert am besten, wenn die Entwickler neue Ideen mit den gelungensten 2D-Leveln verbinden. So beginnen wir etwa auf einer flachen Ebene und werden plötzlich in eine ganz andere Umgebung geworfen, in der wir durch die wechselnde Perspektive versteckte Korridore und geheime Wege entdecken.
Leider tappt Sonic Lost World in die Falle, die schon alle vorherigen 3D-Titel mit dem Igel in der Hauptrolle ins Stolpern brachte. Am schlimmsten ist dabei, dass es sich immer wieder fühlt so anfühlt, als würden wir stets nur Quick-Time-Events mit bestimmten Knopfdrücken zu festgelegten Zeiten absolvieren, um den blauen Igel nach vorn zu treiben. Die Bewegungen sind so schnell in den Welten, dass es in Segas Augen scheinbar die einzige Lösung ist, dem Spieler einen Teil der Kontrolle zu entziehen. Wir lehnen uns also zurück, drücken einen Knopf und hüpfen über einige Plattformen. Und das wird ziemlich schnell ziemlich langweilig.
Anders verhält es sich mit den 2D-Passagen, denn hier wird das Tempo zurückgefahren und die Herausforderungen sind wesentlich greifbarer. Zudem wurden hier neue Ideen verbaut. Zum ersten Mal scheint Sega verstanden zu haben, dass Steuerung auch Präzision erfordert. Und so erhält Sonic - wie schon Mario - einen eigenen Lauf-Knopf zusätzlich zu seiner Roll-Taste, die Sonic in eine blaue Geschwindigkeits-Kugel verwandelt. Mit dem neuen Knopf räumen wir außerdem allerlei Hindernisse aus dem Weg. Damit bleibt ausreichend Zeit, um vernünftig über die Plattformen zu hüpften und die Welten zu erkunden. Verständlich, dass sich deshalb gerade in den 2D-Bereichen die unterhaltsamsten Herausforderungen finden.
Die verbesserte Steuerung ist ein willkommener Schritt und funktioniert den größten Teil des Spiels gut. Allerdings kann es in den 3D-Sektionen dazu kommen, dass wir Sonic mit Lichtgeschwindigkeit in Gegner rennen lassen und ich hätte mir gewünscht, dass bei den Verbesserungen auch Sonics Gewicht mehr Beachtung geschenkt worden wäre. Ein paar Kilos mehr hätten sicher nicht geschadet.
Wer Sonic Colours gespielt habt, wird sich noch an die Wisps erinnern, die Sonic für kurze Zeit ihre Kräfte liehen und ihn so in fliegende, stechende oder schießende Kreaturen verwandelten. Diese Wisps und einige ihrer neuen Freunde haben einen Weg in das Wii U-Abenteuer gefunden. Ganz nebenbei liefern sie so ein Minispiel, das auf dem Touchscreen des Gamepads absolviert wird. Nützlich sind die kleinen Viecher aber nicht nur auf Bonusstrecken. Oft müssen wir auf ihre Superkräfte zurückgreifen, um besonders schwierige Gegner im Spiel zu besiegen.
Im Vorfeld der Veröffentlichung von Sonic Lost World gab es eine Menge Aufsehen um die Deadly Six, eine neue Gruppe von Feinden, denen sich der Igel stellen muss - und das kann ich ehrlich gesagt nicht ganz nachvollziehen. Soweit es Persönlichkeit und Aussehen betrifft, sind diese Typen leider so generisch wie nur irgend möglich - und sie wirken stark recycelt aus vorherigen Sonic-Spielen. Immerhin aber sind die Herausforderungen im Kampf gegen sie interessant, denn oft wird mit der Perspektive und wechselnden Plattformen gespielt, sodass wir schnelle Reflexe mit ein bisschen Einfallsreichtum kombinieren müssen.
Sonic Lost World hat viele einzelne Elemente, die es zu einem wirklich guten, soliden Titel machen. Leider gibt es aber auch Aspekte, die nicht ebenso kreativ sind und deren Implementierung nicht so sauber ausgeführt wurde, wie es notwendig gewesen wäre. Dadurch wird Sonic Lost World nicht zu einem unspielbaren Jump'n'Run, aber es hilft dem Igel nicht gerade dabei, zu seinem ewigen Konkurrenten Mario aufzuschließen. Und, was vielleicht noch viel schlimmer ist, es macht Segas Maskottchen kein Stück relevanter.