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Sniper Elite VR

Sniper Elite VR

Diese virtuelle Erfahrung lässt uns realistischer zum Scharfschützen werden, als je zuvor.

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In der Blütezeit der Spielhallen war Silent Scope ein Spiel, das mich ziemlich beeindruckte - ein Scharfschützen-Simulator mit einem großen Gewehr, das einen kleinen Monitor in seinem Zielfernrohr verbaut hatte. Man verwendete den Hauptmonitor, um sich zu orientieren und das nächste Ziel zu lokalisieren, lehnte sich dann an das Gewehr, schloss ein Auge und starrte in das Zielfernrohr, um eine stark vergrößerte Ansicht des Gegners zu erhalten und die Macht einer tödlichen Distanzwaffe an der Fingerspitze zu spüren. Ganz klar, dass keine Konsolenkonvertierung des Spiels dieses Gefühl jemals wiedergeben konnte, weil eine Heimversion dieses Gewehrs mit dem Zielfernrohrmonitor unsinnig teuer gewesen wäre. Dieses besondere Gameplay-Feeling konnte also zu Hause nie reproduziert werden - jedenfalls galt das bis zur Einführung der modernen virtuellen Realität und Sniper Elite VR!

Getreu der Serie findet das Scharfschießen im Zweiten Weltkrieg statt. Das Spiel beginnt jedoch in der heutigen Zeit und wir finden uns im Körper eines alten Italieners mit faltigen Händen wieder. Der Gute sieht seinen Enkeln beim Spielen zu und erzählt ihnen von seinen Erlebnissen im Krieg, da er 1943 Mitglied des italienischen Widerstands war. Der Hof seines Vaters wurde in einen Schießstand umgewandelt und wir machen uns dort mit dem tödlichen Arsenal vertraut, das uns zur Verfügung steht.

Wie in vielen VR-Spielen üblich, ist die Bedienung der Waffen viel naturgetreuer als in traditionellen Spielen. Wir ziehen den Bolzen zurück und führen einen Munitionsclip ein, den wir dann mit dem Bolzen einspannen. Nach jedem Schuss müssen wir den Bolzen ziehen und wieder spannen, um die verbrauchte Patrone auszuwerfen und die Nächste in die Kammer zu laden. Nach fünf Schuss ist es an der Zeit, einen neuen Clip einzulegen. Das Anlegen des Visiers funktioniert hervorragend und wir können sogar durch Drücken des linken Triggers den Fokus erhöhen, um noch weiter hineinzuzoomen und eine Art Zeitlupeneffekt zu aktivieren. So machen wir kurzen Prozess mit den ausgeschnittenen Zielen am Schießstand und gehen weiter zu Pistolen, Maschinenpistolen und Sprengstoff.

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Hoch oben auf einem Glockenturm zu liegen, das ist ein visuelles Paradies für Scharfschützen. In unmittelbarer Nähe fallen die fehlenden Umgebungsdetails allerdings negativ auf.

Sobald wir bereit für den Krieg sind, ist es an der Zeit, die einzelnen Missionen in Angriff zu nehmen, von denen es insgesamt 16 gibt. Sie führen uns durch eine Reihe typischer Stationen, wie man sie aus Spielen und Filmen über den Zweiten Weltkrieg kennt. Manchmal konzentriert sich unsere Aufgabe wirklich darauf, Feinde von einem hohen Standpunkt aus der weiten Ferne zu beschießen - und das war eindeutig der Bereich, in dem mir das Spiel am meisten Spaß gemacht und wirklich geglänzt hat. Hinzu kommt die ikonische „Kill-Cam", die die Serie berühmt gemacht hat: Bei erfolgreichen Treffern zeigt eine Röntgenaufnahme des Gegners genau, wo die Kugel einschlägt und wie Knochen und Organe darauf reagieren. Diese Aufnahmen sind dementsprechend blutig und können vom Gameplay ablenken, allerdings sind sie auch faszinierend (insbesondere im stereoskopischen 3D, das VR bietet). Glücklicherweise kann ihre Frequenz im Menü angepasst werden, ebenso wie viele andere Komfort- und Spieloptionen. So kann beispielsweise das manuelle Nachladen von Waffen auf Automatik umgestellt werden, was das Spiel deutlich einfacher macht.

Das gilt insbesondere für die vielen Stealth- oder sogar Action-orientierten Missionen des Spiels. Um ehrlich zu sein war ich davon nicht sonderlich begeistert, da die Bedienung der Waffen schnell hakelig wird. Auf engem Raum wird zudem deutlich, dass unsere Feinde alles andere als schlau sind und manchmal sogar lächerliches Verhalten zeigen. Das fällt in einer gut gemachten, virtuellen Umgebung, in der sich alles andere real anfühlt, noch viel deutlicher negativ auf. Dasselbe kann über einige geskriptete Ereignisse wie riesige Explosionen gesagt werden, die sich wie eine Reminiszenz an frühe polygonale Kriegsabenteuer, wie die ersten Folgen der Call-of-Duty- oder Medal-of-Honor-Reihe anfühlen.

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Apropos Medal of Honor: Es scheint ziemlich offensichtlich, dass Sniper Elite VR einige Inspiration aus "Above and Beyond", der neuesten Virtual-Reality-Episode von Medal of Honor, gezogen hat - nur dass diesem Spiel ein viel höheres Budget zur Verfügung stand. Obwohl der Titel eigene Problemchen hatte (wie ihr in dieser Kritik nachlesen könnt), zeigt sich deutlich, dass Sniper Elite VR im direkten Vergleich einiges zu wünschen übrig lässt. Um fair zu sein wird es allerdings zum halben Preis angeboten und läuft gut auf Oculus Quest 2/Playstation VR, während sein scheinbares Vorbild einen High-End-PC mit einer erstklassigen Grafikkarte benötigt.

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Wie in vielen VR-Spielen üblich, ist die Bedienung der Waffen viel naturgetreuer als in traditionellen Spielen.

Wenn es um die verschiedenen Versionen von Sniper Elite VR geht, hat die PSVR-Version eindeutig die schwächste Grafik und könnte von einem Patch für die PS4 Pro oder sogar PS5 stark profitieren. Die Steuerung mit den Move-Controllern ist zudem ziemlich umständlich. Der Dualshock 4 macht seine Arbeit gut, aber die Action fühlt sich damit viel distanzierter an. Die beste Option ist hier definitiv der Aim-Controller, der auf manuelles Nachladen verzichtet, aber beim Snipern das beste Gefühl vermittelt und dem Erlebnis des Spielens von Silent Scope in der Arcade-Halle sehr nahe kommt.

Die Quest-2-Version hat eine deutlich schärfere Grafik und lässt sich gut mit den Motion-Controllern steuern, was zu einer sehr hohen Immersion führt, die durch die drahtlose Natur des Systems noch verstärkt wird. Die Umgebungen sehen trotz der Leistungseinschränkungen der Quest 2 wirklich beeindruckend aus. Hoch oben auf einem Glockenturm gelegen, ist das Spiel ein visuelles Paradies für Scharfschützen - aber in den Stealth- oder Action-Missionen fällt aus nächster Nähe wieder stark der Mangel an Details in der Umgebung und auch in Gesichtern und Körpern der Feinde ins Auge. Das ruft uns dann stark die Grenzen der Rechenleistung der Oulus Quest 2 in Erinnerung. Die PC-Version verbessert die Präsentation erwartungsgemäß in puncto Beleuchtung und Anti-Aliasing, aber es ist absolut deutlich, dass das Spiel hauptsächlich für Quest und PSVR entwickelt wurde, was sich in der Einfachheit vieler Objekte und Oberflächen-Shadern zeigt.

Kurz gesagt: PC-Spieler, die auf der Suche nach dem nächsten großen AAA-Blockbuster sind, werden sicherlich enttäuscht sein und sollten vielleicht etwas anderes spielen. Uns haben die Versionen für Quest 2 und PSVR - letztere vor allem beim Spielen mit dem Aim-Controller - am meisten Spaß gemacht und deshalb wollen wir sie euch von ganzem Herzen empfehlen. Ich hätte mir noch mehr Scharfschützen-lastiges Gameplay gewünscht, doch die Kampagne des Spiels bietet dennoch bis zu fünf Stunden gute Unterhaltung. Wer wirklich alles erledigen möchte, hat die zusätzliche Herausforderung, in allen Szenarien zahlreiche Sammelgegenstände zu finden und die drei optionalen Ziele jeder Mission zu erfüllen.

07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
lebensechte Emulation von Scharfschützen-Action, viele Missionen, beeindruckende Kill-Cam-Szenen
-
fragwürdige feindliche KI, unterdurchschnittliche Stealth-Mechanik, vergleichsweise schwache Grafik auf dem PC.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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