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Port Royale 4

Port Royale 4

Die Handelssimulationsserie ist gerade im Hafen eingelaufen und wir waren an Bord, um ihre Fracht zu inspizieren.

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Als Liebhaber von historischen Spielen und Aufbausimulationen fällt Port Royale 4 genau in meine Komfortzone. Das Spiel spielt in der Karibik des späten 16. und 17. Jahrhunderts, als die großen Kolonialmächte der damaligen Zeit gegeneinander (zusammen mit Piraten) um die Kontrolle über die lukrativsten Waren ankämpften, die die Karibik zu bieten hatte. Ich gebe gern zu, dass ich die anderen Spiele der Serie nicht gespielt habe, denn Port Royale 3 erschien im Jahr 2012 und da habe ich noch andere Vorlieben gehabt. Wie sich herausstellte, konzentriert sich Port Royale viel mehr auf den Handel, als ich zunächst erwartet hatte, denn Kampf und Eroberung nehmen eher die Nebenrollen ein. Wie arbeiten diese Elemente zusammen und gefällt das Endergebnis?

Das Mikromanagement unseres Handels ist ohne Zweifel das spielerische Kernelement von Port Royale 4 - nicht umsonst wird es von Gaming Minds Studios als Handelssimulationsspiel bezeichnet. Meistens scrollen wir auf der Spielkarte hin und her, um die eigenen Städte und Schiffe zu finden und weitere Gewinnmöglichkeiten zu suchen. Die riesige Weltkarte erstreckt sich über das gesamte karibische Gebiet, einschließlich des Golfs von Mexiko, der von Florida im Norden und Venezuela im Südosten abgegrenzt wird. Im Gegensatz zu früheren Spielen der Serie ist die Kampagnenkarte vollständig in 3D modelliert worden und wir können unsere Städte vergrößern und verkleinern, während wir neue Gebäude errichten. Die Spielkarte sieht meiner Meinung nach ziemlich gelungen aus, mit Dschungeln und gemütlich aussehenden Häusern an Land und einem deutlichen Unterschied zwischen hellem, flachem Wasser und der Tiefsee. Es gibt viele nette Details, wie Menschen, die in den Städten herumlaufen, Wettereffekte und einen vollständigen Tag-Nacht-Zyklus. Auch die dazugehörige Hintergrundmusik ist anständig genug, um bei langen Spielsitzungen nicht auf die Nerven zu fallen.

Es gibt vier spielbare Nationen in Port Royale 4 und jede Fraktion hat wiederum vier verschiedene Charaktere, die entweder Handel, Konstruktion und Aufbau oder Piraterie betonen. Die Spanier sind zu dieser Zeit bereits die etablierteste Macht der Region, sie beginnen deshalb mit dem größten Teil Süd- und Mittelamerikas unter ihrer Kontrolle. England hingegen ist einer der Neuankömmlinge und wird die spanische Dominanz und deren Inselbesitz herausfordern. Die Franzosen leben in der Gegend von Louisiana (die immerhin nach Ludwig XIV. benannt ist) und wollen ebenfalls die spanischen Territorien verzehren. Die dominierende Macht der Zeit war jedoch die niederländische Republik und da ich selbst Niederländer bin, hätte ich gerne sofort mit ihnen losgelegt. Ärgerlicherweise müssen wir zuerst mit den Spaniern eine Kampagne gewinnen, schade. Trotzdem denke ich, dass Port Royale 4 es schafft, die historische Situation gut zu verschmelzen. In einer spanischen Kampagne geht es hauptsächlich darum, die spanischen Städte zu vergrößern und sich gleichzeitig gegen Angriffe anderer Nationen zu verteidigen.

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Der Titel bietet viele Stunden Spielspaß, in denen wir optimale Handelsrouten auf einer wunderschön gestalteten Spielkarte aufbauen.

Das Hauptelement im Spiel ist aber wie gesagt der Handel: Jede Stadt produziert bestimmte Waren, zum Beispiel Getreide, Luxusgüter, Kakao, Baumwolle oder Rum. Gleichzeitig werden ihnen strukturell andere Güter fehlen, die dann in dieser bestimmten Stadt wertvoller sind. Als Handelssimulation dreht sich Port Royale 4 darum, Schiffe zu bauen, Waren zu einem günstigen Preis in einer nahegelegenen Stadt einzukaufen und diese Produkte an einem anderen Ort zu verkaufen, wo die Preise möglichst hoch sind. Das Spiel umfasst 18 Arten historischer Schiffe, die zu Konvois zusammengefasst werden können, um die Ladung und ihren Schutz zu erhöhen. Jede Stadt bietet einen bequemen Überblick über angebotene Waren und Preise, einschließlich grüner oder roter Balken, die uns über Verfügbarkeit und das Preisniveau informieren. Profitable Verkäufe bringen ein Einkommen in Gold, mit dem wir wiederum Schiffe bauen, Zugang zu mehr Städten erwerben (wir müssen erst die Erlaubnis kaufen, mit anderen Regionen zu handeln) und unseren Heimathafen weiterentwickeln, um schlussendlich selbst mehr Waren zu produzieren.

Trotz eines ziemlich soliden Tutorials habe ich einige Zeit gebraucht, um ein Gefühl für die In-Game-Wirtschaft zu bekommen. Das manuelle Segeln von einer Stadt in die andere und das Kaufen und Verkaufen von Waren brauchen ihre Zeit, aber zum Glück können wir auch automatische Handelsrouten einrichten. Dazu müssen wir die Route zu verschiedenen Städten auswählen und festlegen, welche Waren dort automatisch zu welchen Preisen gekauft oder verkauft werden sollen. Leider empfand ich das manuelle Kaufen und Verkaufen und den Bau von Handelsrouten nach ein paar Stunden als etwas mühsam. Ich habe ständig nachgesehen, welche Regionen ich bereits ansegle und musste Handelswege anpassen, um die Preise im Auge zu behalten. Es erinnerte mich irgendwann an einen tatsächlichen Job und das ist ehrlich gesagt nichts, was ich in Videospielen suche. Ich kann verstehen, dass es Spieler gibt, die genau das suchen, doch dieser extreme Handelsfokus ist sicherlich nicht jedermanns Sache.

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Glücklicherweise hat der Entwickler Gaming Minds Studios weitere Elemente hinzugefügt, um die Dinge für ein allgemeineres Publikum interessant zu halten. Jede Nation dient einem Vizekönig, der unsere Fortschritte im Auge behält und ständig Aufgaben, wie der Beschäftigung von Kolonisten oder dem Bau bestimmter Gebäude, an uns stellt. Hin und wieder tauchen zufällige Missionen auf, die unsere Ruhmpunkte erhöhen, das kann zum Beispiel die Lieferung einer bestimmten Ware an eine Stadt oder das Auffinden eines Teils einer Schatzkarte sein. Mit Ruhmpunkten können wir eine Handvoll neuer Technologien erforschen, Kriegsschiffe bauen und die Kapitäne einstellen, die zum manuellen Steuern der Boote in den Seeschlachten vonnöten sind. Die Entwicklung von neuen Plantagen, Krankenhäusern oder Werften in unseren Städten sorgt jedenfalls für Abwechslung.

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Die Gefechte werden wichtiger, wenn im späteren Verlauf der Kampagne Kriege zwischen rivalisierenden Mächten entstehen.

Obwohl es sich in erster Linie um eine Handelssimulation handelt, denke ich nicht, dass die Art und Weise, wie der Kampf in diesem Game eingebunden ist, ausreichend durchdacht wurde. Erstens wurden die Seeschlachten im Vergleich Port Royale 3 von Echtzeit auf eine rundenbasierte Struktur umgemünzt. Die Boote tauschen also abwechselnd Kanonenfeuer aus und versuchen in ihrem Zug, feindliche Schiffe zu entern und zu erobern. Die 3D-Umgebung wird währenddessen aber in Echtzeit dargestellt und da das Spiel auf mich ja wie beschrieben insgesamt ziemlich stressig wirkte, stimmt das nachdenkliche Tempo in den Schlachten nicht so richtig mit dem restlichen Spielgefühl überein. Darüber hinaus wirken die Hexagon-Felder leer, zumindest konnten sie mir nie das Gefühl einer Schiffsschlacht vermitteln. Die Gefechte werden wichtiger, wenn im späteren Verlauf der Kampagne Kriege zwischen rivalisierenden Mächten entstehen, was die mangelnde Anziehungskraft leider nicht kompensiert.

Zweitens ist der automatische Ablauf von Schlachten nur dann nützlich, wenn die Seiten ungefähr gleich stark sind oder wenn ein Spieler viel stärker ist als der andere. Ansonsten verlieren wir einfach alles, weil sich der PC automatisch ergibt. Zudem (und damit kommen wir zu meinem dritten Argument) schien Piraterie keine wirklich praktikable Strategie zu sein. Wir können zwar jeden Konvoi mit bewaffneten Schiffen in eine Piratenflotte verwandeln, die rivalisierende Handelskonvois angreift, doch es patrouillieren überall so starke Militärschiffe durch die Gewässer, dass es fast unmöglich ist, sich zurückzuziehen, um die Flotte zu reparieren. Ich konnte meine Piratenflotte jedenfalls nie rechtzeitig aus dem Weg räumen, bevor sie abgefangen wurde. Die meisten Schlachten endeten mit der vollständigen Zerstörung meiner Piratenkonvois, sodass sie das Risiko kaum wert waren.

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Jede Stadt bietet einen bequemen Überblick über angebotene Waren und Preise, einschließlich grüner oder roter Balken, die uns über Verfügbarkeit und das Preisniveau informieren.

Port Royale 4 ist also kein einfaches Spiel. Nach meiner Erfahrung dauert das erfolgreiche Abschließen einer Kampagne insgesamt so etwa 15 Stunden, aber es ist möglich, endlos weiter zu spielen. Nach einer Weile konnte ich profitable Handelsrouten aufbauen, doch die müssen ständig angepasst werden, um auch rentabel zu bleiben. Es wird zudem wirklich schwierig, ein lukratives Handelsnetzwerk aufrechtzuerhalten, sobald Piratenangriffe und Kriege mit anderen Nationen ins Spiel kommen. Angriffe entziehen uns die nötigen Ressourcen, die wir zum jedoch Handeln benötigen, während der Bau von Militärschiffen die eigenen Kassen schnell leert. Ich musste meine Spiele oft neu laden, weil ich einfach nicht in der Lage war, wieder Gewinne zu erzielen.

Zusammengenommen bietet Port Royale 4 ein sehr detailliertes Handelssimulations-Gameplay, das definitiv Spieler zufriedenstellt, die gerne im Mikromanagement versinken. Der Titel bietet viele Stunden Spielspaß, in denen wir optimale Handelsrouten auf einer wunderschön gestalteten Spielkarte aufbauen. Ich befürchte jedoch, dass das rundenbasierte Kampfsystem die Attraktivität des Spiels für ein allgemeineres Publikum, einschließlich meiner selbst, verringert. Wenn ihr jedoch über die kampfbedingten Mängel hinausblicken könnt, und sehr gerne Aktienkurse begleitet, dann ist diese Art von Spiel genau das Richtige für euch, um bis tief in die Nacht hinein zu spielen.

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07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
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detaillierte und gut gestaltete Spielkarte, hochkomplexe Handelsmechanik.
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Handel erfordert ständiges Mikromanagement, Kampfsystem stellt uns nicht zufrieden.
overall score
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