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Oninaki

Oninaki

Tokyo RPG Factory hat drei Spiele in drei Jahren veröffentlicht. Steigert das neueste Abenteuer die Qualität oder sind Abnutzungserscheinungen erkennbar?

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Der Tod ist die einzige Garantie, die wir alle vom Tag unserer Geburt an bekommen. Obwohl einige Menschen nicht gerne über das Thema sprechen, berührt es jeden von uns auf unterschiedlichste Art und Weise, unabhängig von Kultur oder dem persönlichen Umfeld. Wie wir dem Tod begegnen, welche Rituale wir in diesem Zuge ausführen und wie wir mit dem Verlust geliebter Menschen umgehen, ist ein faszinierendes, sozioanthropologisches Thema. Außerdem ist es auch die Prämisse von Oninaki, dem dritten und neuesten Spiel von Tokyo RPG Factory.

Das kleine japanische Studio veröffentlichte 2016 sein erstes Spiel, I am Setsuna. Der Fokus lag damals darauf, ein neues JRPG zu erstellen, das vom Klassiker Chrono Trigger inspiriert wurde. Das Hauptaugenmerk lag auf der melancholischen Stimmung, die von schönen Klavierpartituren unterlegt wurde. Ihr zweites Spiel, Lost Sphear, erschein letztes Jahr und es fühlte sich sehr nach einer lieblosen Fortsetzung an. Viele Produktionswerte wurden ohne eigene, kreative Neuerungen recycelt, dem Ergebnis fehlte es deshalb an eigener Seele. Beim neuesten Spiel von Tokyo RPG Factory stellt sich daher die Frage, ob wirklich alle guten Dinge drei sind. Ganz so leicht ist es leider nicht, fürchte ich...

In Oninaki werden wir in eine Welt eingeführt, die in Licht und Schatten unterteilt ist. Die Lebenden existieren in einer eigenen Welt, die Toten in der anderen. Das gesamte Reich ist regelrecht besessen von der Reinkarnation und der Pflege der Toten, damit alle Menschen problemlos ins nächste Leben übergehen können. Den Lebenden wurde deshalb verboten, um die Toten zu trauern, weil das wohl dazu führen kann, dass die Toten ihr eigenes Ableben bereuen und versuchen, an ihrem Dasein festzuhalten. Dadurch halten sie diesen natürlichen Zyklus auf und verwandeln sich ggf. sogar in Monster. Wir spielen einen Charakter namens Kagachi, einen Wächter mit der Fähigkeit, zwischen diesen beiden Welten zu reisen. Er muss dafür sorgen, dass sich verweilende Seelen mit ihrem eigenen Tod abfinden und weiterziehen können.

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Alle guten Dinge sind drei, aber dieses alte Sprichwort ist kein Freifahrtschein...

Das Setting und die Prämisse der Geschichte sind zweifelslos interessant. Die starken Emotionen zu unterdrücken, die entstehen, wenn man mit Verlust und Tod konfrontiert wird, ist für Körper, Geist und Seele natürlich sehr ungesund. Dass eine ganze Nation auf dieser Voraussetzung aufbaut und nicht über Tote trauern darf, ist definitiv schon mal ein guter Ausgangspunkt für eine faszinierende JRPG-Erfahrung. Leider wird aus dieser netten Idee im Verlauf des Spiels nichts gemacht, beinahe verkommt sie zur reinen Fassade. Stattdessen wird das Konzept durch schlecht geschriebene Dialoge und einer Handlung, die mit wenigen Konsequenzen von einem Kapitel zum Nächsten geschliffen wird, höchstens in Mitleidenschaft gezogen...

Dass Oninaki zudem die langweiligsten Figuren darstellt, die Tokyo RPG Factory bisher in ihren Spielen geschaffen hat, tut dem Spiel natürlich ebenfalls keinen Gefallen. Es gab mehrere Schlüsselelemente in I am Setsuna und selbst Lost Sphear bot ein oder zwei sympathische Charaktere. Kagachi ist allerdings noch trockener als eine Wüste und die anderen Nebendarsteller sind da leider auch nicht viel besser. Die meisten kommen und gehen, ohne jemals einen Eindruck bei uns zu hinterlassen. Ein JRPG ohne einprägsame Besetzung ist ein trauriges Zeugnis, aber immerhin eines, um das man nicht trauern müsste...

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Wenn ihr große, offene Welten liebt, die Erkundungen wertschätzen und euch mit interessant geschriebenen, einzigartigen Quests belohnt, dann ist Oninaki nichts für euch. Die Welt bietet überhaupt keine erforschbare Weltkarte mehr, außerdem ist jedes Gebiet, das wir im Spiel besuchen, mehr oder weniger linear. Wir können jederzeit zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Toten wechseln, aber da verändert sich meist nur wenig, wodurch der Szenenwechsel an Wirkung verliert. Positiv ist hingegen, dass die meisten Gebiete eine schöne Kulisse bieten, generell ist Oninaki ein künstlerisch ansprechendes Spiel (nicht zu verwechseln mit hübsch oder grafisch opulent). Die Charaktere hingegen sind recht langweilig und flach, was ironischerweise auch ihre Persönlichkeit widerspiegelt.

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Oninaki bietet große Anpassungsvielfalt im Echtzeitkampf, warum haben andere Aspekte des Spiels nicht die gleiche Aufmerksamkeit erhalten?

Die Trumpfkarte von Oninaki ist sein Kampfsystem, das für eine Weile unterhalten kann. Jeder Watcher kann sich mit Wesen vereinen, die als Daemons bekannt sind. Das sind tote Seelen ohne Erinnerungen an ihre Vergangenheit, die weder verloren noch verdammt sind. Jeder Daemon verfügt über unterschiedliche Waffenfähigkeiten und Kagachi kann jederzeit vier davon nutzen. Im Kampf wählen wir via Analogstick den entsprechenden Stil aus und es ist wichtig, ein geeignetes Setup für verschiedene Gegnerkombinationen zu finden. Um im Kampf erfolgreich zu sein, müssen wir zudem rechtzeitig zwischen ihnen hin- und herwechseln. Obwohl sich die Kämpfe auf lange Sicht wiederholen, ist es immer noch ein solides System für ein Action-Rollenspiel.

Obwohl das neue Kampfsystem gut funktioniert, ist es eigentlich merkwürdig, dass Tokyo RPG Factory darauf den Schwerpunkt gesetzt hat - vor allem wenn man bedenkt, wie die Kämpfe in ihren vorherigen Spielen funktioniert haben. Andere Aspekte, die mehr Verbesserungen und Aufmerksamkeit erforderten hätten, wie Erzähltempo, Variation, Charaktere, Story und Präsentation - wurden nämlich gar nicht behandelt oder haben sich mit der Zeit eher verschlechtert. Sogar die Musik hat es nicht mehr geschafft, uns noch in Erinnerung zu bleiben und das war bei I am Setsuna eine große Stärke... (möglicherweise ist das auf einen Komponistenwechsel zurückzuführen, da der junge und talentierte Tomoki Miyoshi für dieses Spiel nicht zu seiner früheren Aufgabe zurückkehrte). Es gibt ein paar tolle Tracks und eines der Boss-Themen erinnert uns beispielsweise an den Musikstil der Anime-Serie Fairy Tail, aber die Partitur als Ganzes beeindruckt leider nicht mehr.

Oninaki hätte ein großartiges JRPG sein können, aber ein schlechtes Drehbuch und langweilige Charaktere machen das Ganze zu einer monotonen und sich wiederholenden Angelegenheit. Es scheint uns so, als ob sich Tokyo RPG Factory zu einem Massenproduzenten mittelmäßiger Rollenspiele entwickelt hat (was ja zumindest dem Studionamen entspricht...), doch uns wäre ein Experte und Unterstützer moderner Klassiker deutlich lieber. Diese Erkenntnis ist umso trauriger und verwirrender, wenn man bedenkt, dass Oninaki von niemand Geringerem als Takashi Tokita, dem Game Director von Chrono Trigger selbst, produziert wurde. Gegenwärtig sollte Tokyo RPG Factory jedenfalls als One-Hit-Wonder angesehen werden.

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Viele Kulissen des Spiels sind sehr hübsch, doch die grafische Präsentation allein überzeugt heute einfach nicht mehr.
05 Gamereactor Deutschland
5 / 10
+
ansprechendes Kampfsystem, gute Story-Prämisse, stilistisch hübsch.
-
langweilige und schrecklich gewöhnliche Charaktere und Geschichten, unterdurchschnittliche Präsentation, Gameplay ist repetitiv und linear.
overall score
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