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Lords of Football

Lords of Football

Geniaware versucht sich an einem neuen Ansatz für Fußballspiele. Das Ergebnis ist ein wilder und leider teils mangelhafter Mix unterschiedlicher Genres.

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Gesehen habe ich Lord of Footballs das erste Mal im letzten Jahr auf der Gamescom. Zugegebenermaßen habe ich damals die Präsentation eigentlich nur besucht, um Gianluca Vialli zu sehen. Ich bin ein Fan von Juventus Turin und konnte mir schon allein deshalb die Gelegenheit nicht entgehen lassen, das Idol meiner Kindheit zu treffen. Neben den vielen Bildern, auf denen ich mit Vialli verewigt bin, fand ich an diesem Tag noch ein unterhaltsames Videospiel, das sich voll und ganz dem Fußball verschrieben hat.

Klar konnte man nach der kurzen Präsentation noch nicht das ganze Ausmaß der Vor- und Nachteile begreifen. Als ich aber damals den Raum verließ, hatte ich ein gutes Gefühl. Noch dazu sind der Fußball Manager und Die Sims zwei großartige Titel, deren angekündigte Verbindung ein interessantes Konzept versprach.

Mit diesen schönen Erinnerungen in meinem Kopf habe ich mich an die fertige Version des Spiels gewagt. Schön: Das faszinierende Konzept, das auf der Gamescom präsentiert wurde, ist unverändert geblieben. Wie erwähnt besteht das aus einer Verknüpfung verschiedener Aspekte von Simulations- und Managementspielen, die zumindest für mich mit vielen guten Titeln verbunden sind. Noch mehr als an Die Sims und den Fußball Manager erinnert mich Lords of Football aber tatsächlich an das alte Black & White.

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Lords of FootballLords of Football
Lebenssimulation wird mit Managementaspekten vermischt: Wir kümmern uns nicht nur auf dem Platz um unsere Spieler, sondern auch abseits vom Rasen.

Lords of Football macht uns nämlich zum Gott. Wir sind ein gottgleicher Trainer und gleichzeitig großmütig wie rachsüchtig. Spieler müssen durch ausgesuchte Aufgaben auf dem Trainingsplatz getriezt und ihre physischen und mentalen Leiden in unterschiedlichen Therapiesitzungen behandelt werden. Wir müssen ihnen das richtige Maß an Freizeit lassen und ihnen erlauben, auch nachts die Stadt zu durchstreifen. Am Ende heißt es dann aber auch, die Spieler wieder auf den richtigen Weg führen, wenn ihre Motivation sinkt und sie sich lieber anderen Aktivitäten hingeben. Das geht zum Beispiel mit Strafen - ungeachtet der möglichen mentalen oder physischen Schäden.

Jeder Spieler hat einen Steckbrief, der unterschiedliche körperliche Charakteristika mit einer Wertung zwischen 1 und 100 versieht. Die Zahlen verändern sich in Abhängigkeit vom Zustand des Spielers und dessen Position: Ein untrainierter Mittelfeldspieler findet etwa neben seinen Attributen meist eher rote Ziffern. Dann müssen natürlich noch ein paar extra Runden auf dem Trainingsplatz eingelegt werden. Andersherum können Spieler natürlich auch über sich hinauswachsen. Besondere Fitness, die über die Standardwerte hinausgeht, wird dann mit grünen Zahlen angezeigt.

Neben den physischen Attributen gibt uns die Spielerkarte auch Einblick in den Gesundheitszustand des Fußballers, seine Verhaltensmuster und vor allem seine Bedürfnisse. Gerade an diesem Punkt nähert sich das Spiel stark Die Sims an. Jeder Spieler muss hin und wieder auch seinen Spaß haben. Er muss trinken, essen, tanzen, mit Frauen ausgehen und so weiter. Um diese Bedürfnisse zu erfüllen, schicken wir die Spieler beispielsweise zu bestimmten Orten in der Stadt. Diese sorgen für die nötige Unterhaltung, aber wie erwähnt, können sie in übertriebenen Maße auch zur Sucht werden.

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Informationen über Gesundheit, Leistung und Bedürfnisse einzelner Fußballer gibt es auf der jeweiligen Spielerkarte. Rote Zahlen müssen durch intensives Training ausgebessert werden, während grüne Zahlen für überdurchschnittliche Leistungen sprechen.

Neben dem Status als Gott über seine Mannschaft hat der Trainer nicht viele Aufgaben. Die passende Taktik für das nächste Spiel wählen wir in einem sehr intuitiven Menü aus. Gelegentlich beantragen wir auch beim Clubvorstand den Verkauf und Neueinkauf von Spielern. Um die wirtschaftlichen Aspekte des Fußballsports kümmern wir uns dagegen wenig. Es gibt kein Budget, keine Sponsoren und keine Verträge, die unterschrieben oder verlängert werden müssten. Kurz gesagt: Die Managementaspekte von Lords of Football wurden auf den kleinsten möglichen Nenner zusammengeschrumpft.

Am Ende jedes Tages erwartet uns dann ein Match - und da wandelt sich Lords of Football plötzlich radikal. Während des Spiels folgen wir dem Geschehen entweder passiv oder überspringen es kurzerhand, indem wir auf "Simulieren" klicken. Es kann aber auch aktiv eingegriffen werden, indem wir ganz wörtlich genommen unsere Taktik auf das Feld zeichnen. Mit einigen Mausklicken weisen wir Spieler mit dem Ball an zu passen. Dann lassen wir den Fußballer sprinten und zwar sogar zu einem präzise festgelegten Punkt vor dem Tor. Wenden wir dieses System an, tragen wir entscheidend zum Ausgang des Spiels bei. Unbegrenzt können wir allerdings nicht darauf zurückgreifen: Im Hintergrund verringert sich unser Energiebalken. Und ist der einmal am Nullpunkt angekommen, sind wir dazu verdammt, den Spielern wieder zuzusehen.

Lords of Football
Ob sich das Training auszahlt, ist oft schwer einzuschätzen. Am Ende ist es wichtiger, die richtige Balance zwischen Trainingseinheiten und Freizeit zu finden, damit Motivation und Leistung gut bleiben.

Es liegen also eine ganze Menge Eisen im Feuer. Die Kombination der unterschiedlichen Elemente erzeugt ein unheimlich abwechslungsreiches Spiel mit richtig vielen guten Ideen. Das Problem ist nur: In keinem dieser Aspekte kann Lords of Football wirklich herausstechen. Die Trainingseinheiten sind simpel und können nur schlecht angepasst werden. Die Tage vergehen zu schnell und die Notwendigkeit, jeden Tag ein Spiel zu absolvieren, macht es unmöglich, die Entwicklungen der einzelnen Spieler richtig zu verstehen. Die Fußballer haben nur wenige Bedürfnisse und die sind nicht mal besonders originell. Noch dazu ist es viel zu leicht, das Gleichgewicht in der Mannschaft zu erhalten. Kurzum: Schon nach ein paar Stunden wiederholen wir unsere Handlungen beinahe mechanisch und der Spaßfaktor sinkt ins Bodenlose.

Das ist vor allem schade, weil das Spiel gerade vom technischen Standpunkt aus betrachtet wirklich gut ist. Klar, die Grafik ist nicht zu vergleichen mit Titeln wie FIFA oder PES, aber die Spielpräsentation ist insgesamt schön, die Musik angemessen und die minimalistische Synchronisation noch dazu gut gelungen.

Lords of Football ist am Ende nur ein halber Erfolg. Wäre es etwas komplexer, zum Beispiel durch individuell anpassbare Trainingssessions, ein detaillierteres Tutorial, längere Tagesabschnitte und vor allem durch einen klaren Zeitplan unserer Aufgaben, der uns nicht am Ende des Tages wiederholt Spiele aufzwingt - es wäre ein großartiges Spiel geworden. Als Indie-Hommage an Fußballsimulationen ist Lords of Football sicher ein Beispiel, dem man nacheifern sollte. Ich hoffe wirklich, dass die Jungs von Geniaware dieses Spiel als ersten Anlauf nutzen, um einen tiefgründigeren Nachfolger zu kreieren, der dann ganz in die Spielerfahrung eintaucht und uns zu einem echten Lord des Fußballs werden lässt.

06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
Viele gute Ideen, reichlich Ironie, Minispiele machen Spaß
-
Tage sind zu kurz, Fortschritt der Spieler nicht ersichtlich, mechanisches Abarbeiten der Aufgaben
overall score
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