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Grid Legends

Grid Legends

Die britischen Entwickler von Codemasters versuchen in diesem Spiel zu alten Stärken zurück zu finden. Gelingt ihnen das Kunststück?

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Als ich den Story-Modus von Grid Legends vor einem Monat ausprobieren konnte, war ich davon überhaupt nicht beeindruckt. Die Produktionswerte wussten zugegeben zu überzeugen, aber die Steuerung und das Fahrgefühl der Autos waren katastrophal. Alles fühlte sich so ruckelig an, als würde man in einem Vergnügungspark Autoscooter fahren und irgendjemand rast einem ständig in die Seite.

Als der Titel vor kurzem bei mir auf dem Schreibtisch landete, habe ich ehrlich gesagt fest damit gerechnet, dass ich mich einige Stunden lang durch das Spiel schleifen müsste, doch zu meiner großen Überraschung ist es Codemasters in den letzten Zügen tatsächlich gelungen, starke Verbesserungen umzusetzen. Obwohl die größten Probleme aus dem frühen Preview-Build ausgemerzt wurden, macht mir das Fahren leider immer noch keinen großen Spaß. Die Balance zwischen Simulation und Arcade-Racer gelingt dem Titel nicht, und deshalb ist das Fahrgefühl nicht dort, wo es sein sollte.

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Ein großes Lob muss man Codemasters für die Gestaltung der verschiedenen Strecken aussprechen.

Codemasters hat es allerdings geschafft, die Zuschauer am Rand der Strecke wirklich gut abzulichten. Dadurch fühlt sich das Publikum nicht so statisch an, wie es in manch anderen Spielen der Fall ist. Es gibt Zuschauer, die sich über der Absperrung hängen, während sie die Fahrer anfeuern. Das sind kleine Dinge, die mich glücklich machen. Dem gegenüber steht der Regen, der sich als Autofahrer sehr unnatürlich anfühlt. Nieselregen bemerkt man in der Verfolgerperspektive noch gar nicht, aber man ihr in die Cockpit-Kameraansicht wechselt, läuft das Wasser bereits wie verrückt über die Windschutzscheibe.

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Das Fahren in Wasserlachen macht übrigens auch gar keinen Unterschied im Handling und wenn ihr durch Schnee brettert, habt ihr nicht einmal Bremsspuren. Eigentlich schneit es in Grid: Legends eh nie mehr als ein paar Flocken, obwohl sich der Schnee am Straßenrand sammelt. Die verschiedenen Wetterlagen (sonnig, bewölkt, regnerisch, stürmisch oder verschneit) sehen eigentlich sehr gut aus, aber die kleinen Extras fehlen. Dadurch wirkt es häufig wie ein Rennspiel aus dem Jahr 2003.

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Die Balance zwischen Simulation und Arcade-Racer gelingt dem Titel nicht, und deshalb ist das Fahrgefühl nicht dort, wo es sein sollte.

Ein großes Lob muss man Codemasters für die Gestaltung der verschiedenen Strecken aussprechen. Uns werden 22 verschiedene Kurse angeboten, die jeweils verschiedene Varianten haben (insgesamt sind es über 130). Die Stadtstrecken haben mich am meisten beeindruckt, denn Orte, wie London, Moskau, Paris und Chicago, sind alle sehr schön gestaltet worden. Wenn ihr schon einmal in einer dieser Städte wart, dann werdet ihr die ikonischen Schauplätze sofort wiedererkennen. Außerdem sind die verschiedenen Versionen der Stadtstrecken so unterschiedlich gestaltet worden, dass es sich nicht so anfühlt, als würde man nur durch eine kürzere Version der gleichen Strecke rasen. Im Story-Modus fanden zwei Rennen hintereinander in Moskau statt und die Strecken waren völlig unterschiedlich.

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Vermutlich haben die Entwickler ca. 90 Prozent ihrer gesammelten Mühe in den Story-Modus gesteckt. Mit "Braking Point" haben Codemasters in F1 2021 sehr gute Arbeit abgeliefert und diesen Zaubertrick wollen sie hier nun vermutlich erneut vollbringen. Anstelle von computergenerierten Charakteren hat man sich diesmal jedoch dazu entschieden, echte Schauspieler in das Spiel zu bringen, um so eine Art Dokumentarfilm anzulegen. Das Ergebnis versucht das gleiche dramatische Gefühl wie die Netflix-Sendung "Drive To Survive" einzufangen: Alles beginnt mit einem großen Unfall, in den unsere Spielfigur verwickelt ist. Anschließend wird die Zeit zurückgespult, um genau zu zeigen, was zu diesem Unfall geführt hat.

Wir beginnen als Niemand, der nur wenige Tage vor der neuen Rennsaison einen Vertrag mit Seneca Racing erhält, weil der zweite Fahrer aufgeben wollte. Seneca ist ein Team mit großen Problemen, aber das ändert sich natürlich, als Driver 22 (wie wir genannt werden) ins Spiel kommt. Leider fällt es mir etwas schwer, mich besonders in die Geschichte hineinzuversetzen, denn während wir in F1 2021 einen Fahrer spielten, der klare Charakterzüge und eine Persönlichkeit hatte, ist #22 nie sichtbar. Er oder sie spricht nicht einmal und wir sehen auch kein Gesicht, weshalb ich für die Schicksalsschläge dieser Figur nur wenig empfinden konnte. Die Schauspieler machen im Allgemeinen einen ziemlich guten Job, aber im Großen und Ganzen erreicht die 36-Kapitel-umfassende Geschichte nicht das Qualitätsniveau von Braking Point.

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Die Schauspieler machen im Allgemeinen einen ziemlich guten Job, aber im Großen und Ganzen erreicht die 36-Kapitel-umfassende Geschichte nicht das Qualitätsniveau von Braking Point.

Wenn ihr etwas anderes spielen wollt, dann gibt es auch einen klassischen Karrieremodus. Der Inhalt ist mit den vielen verschiedenen Arten von Wettbewerben (von Elektroautos bis hin zu Tourenwagen) umfangreich angelegt. Wir beginnen mit dem Rookie-Level und müssen uns in insgesamt 250 Karriereveranstaltungen beweisen, um die Karriereleiter zu erklimmen. Allerdings fühlt es sich an, wie ein Rennen nach dem anderen, da diesem Modus jegliche Persönlichkeit fehlt. Ich weiß, dass es vielen Leuten gefallen wird, aber ich hätte gerne etwas mehr gesehen. Man kann das Logo seines Rennteams und das Aussehen seines Autos nun selbst gestalten, allerdings ist es nicht möglich, diesen Look mit Aufklebern und Farben auf alle Autos zu übertragen - dafür muss man das Aussehen jedes Auto immer wieder manuell ändern.

Den Karrieremodus können Freunde übrigens zu zweit bestreiten und es ist möglich, in das Rennen eines befreundeten Spielers einzudringen. Wenn ein Bekannter online ist und ihr denkt, dass dieser Spieler ein bisschen Konkurrenz vertragen sollte, dann könnt ihr ins laufende Rennen einsteigen und einen computergesteuerten Fahrer übernehmen. Der Mehrspielermodus besteht übrigens aus bis zu 22 Fahrern, die online gegeneinander antreten können. Plattformübergreifendes Zusammenspiel ist ebenfalls möglich.

Grid Legends ist in nur einem Monat um einiges besser geworden und das ist an sich schon beeindruckend. Aber die Frage ist, wie ich mich gefühlt hätte, wenn ich das Game nicht schon vorher angerührt hätte, beschäftigt mich. Beeinflusst es meine Wahrnehmung? Das Spiel ist ziemlich ehrlich gesagt mittelmäßig und obwohl es Teile gibt, die wirklich beeindruckend sind, ist das Fahrgefühl am Ende leider nicht gut genug, um mich lange bei der Stange zu halten. Eigentlich sind Codemasters so viel besser als das.

06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
schöne Umgebungen, solider Story-Modus, große Vielfalt an Autos und Fahrzeugklassen.
-
mittelmäßiges Fahrgefühl und Fahrphysik, abgestandene Wettereffekte fühlen sich alt an, langweilige KI, fehlende Abwechslung im Karrieremodus.
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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