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Free Guy

Free Guy

Wir alle haben die Geschichte schon einmal gehört, doch niemals auf diese Art und Weise.

Das Leben eines NPC-Charakters ist im Grunde genommen der reinste Traum für die Hintergrundcharaktere des Videospiels Free City. Niemand muss eine Seite einnehmen oder sich über existenzielle Fragen Gedanken machen. Stattdessen verläuft das Leben nach einer sicheren, vordefinierten Routine. Das reicht dem NPC-Charakter Guy, gespielt von Ryan Reynolds, jedoch nicht mehr aus. Irgendetwas bedrückt ihn ständig: das Verlangen nach mehr, vielleicht eine Frau an seiner Seite, die seine Ziele im Leben versteht und mehr aus ihrem Leben machen möchte. Als Guy sich eines Tages in einen der Spieler-Avatare verliebt, verändert sich das Open-World-Spiel in dem er lebt zum guten. Das passt dem Entwicklerstudio Soonami jedoch gar nicht.

Free Guy erzählt eine Geschichte, die wir schon oft gehört haben: Übernehme die Kontrolle über dein Leben, brich den Zyklus, traue dich an deine Träume zu glauben, glaub an dich selbst, schnapp dir die Frau am Ende des Films. Aus Perspektive eines NPCs stellt sich die Geschichte jedoch als sehr durchdacht und innovativ dar und gibt dabei auch noch sein bestes, Videospiele und ihre Spielerschaft gut zu repräsentieren. Free Guy ist mehr als nur ein angeklebtes Spieleset, die Filmemacher leisten gute Arbeit die digitale Welt mit den guten Seiten der Videospielkultur zu vereinen. Es ist genau dieser Sinn von Gemeinschaft, einem großen, pumpenden Herz, das Free Guy zum Gewinner krönt.

Ryan Reynolds spielt im Grunde genommen sich selbst, wir erkennen schnell die Scharfsinnigkeit des Schauspielers, sowie seine gewagten Anmerkungen. Sein Charakter kann jedoch keine Gewalt ausstehen, auch wenn er jede einzelne Minute seines Lebens von dieser umgeben wird. Als Guy es schafft die Barriere zu durchbrechen und die stark von GTA-inspirierte Stadt Free City nach seiner eigenen defensiven Art zu durchschreiten, sehen viele Spieler ein Vorbild in ihm. Selbst Twitch-Promis wie Ninja und Pokimane sehen den tapferen NPC-Charakter als wahren Kämpfer an und glauben, Guy sei ein Spieler in einem NPC-Skin.

Free Guy

Der naive Held wird begleitet von Jodie Comers Charakter. Diese besitzt die schwierige Aufgabe Guy zu verklickern, dass er nur ein NPC ist. Comer macht sich gut als ebenso verletzlicher Charakter - sowohl mit ihrem Avatar, als auch im richtigen Leben als Indie-Entwicklerin. Der Film schafft es die meisten Klischees zu umgehen, indem er nach seinen eigenen Regeln spielt und sich stattdessen eher auf die Charaktere fokussiert, anstatt sich bestimmten Modellen unterzuordnen. Dadurch entsteht ein fokussierter Videospiel-Film, der an den richtigen emotionalen Fäden zieht. Auch die Spielwelt ist spaßig zu erkunden, nachdem Guy eine spezielle Brille findet, die ihn auf sämtliche Inhalte wie herumschwirrende Erste Hilfe-Kits und Lootsysteme aufmerksam macht. Ab und an gibt es einige schlecht gestaltete CGI-Szenen, die wiederum an anderer Stelle gewollt schlecht dargestellt werden. Der absichtlich nicht fertig gestellte finale Boss ist ein unterhaltsames Beispiel für die verspielte Art des Films.

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Doch auch Free Guy gestaltet sich nicht als völlig Bug-freie Geschichte. Das größte Problem ist seine Länge, denn der Film ist schlichtweg zu lang. Der finale Akt ist zu langatmig, einige tieffliegende Witze, sowie aufgezwungene Gastauftritte unterstreichen das Problem noch einmal. Das Truman Show-Element funktioniert hingegen wunderbar. Am Ende habe ich mich schwergetan, Free Guy nicht ins Herz zu schließen. Ein Film der von Anfang bis zum Ende weiß, was er will.

Free Guy ist ein Familienorientierter, spaßiger, leichter Blockbuster, der sich ebenso entspannend klassisch in seiner Struktur und Charakteren darstellt. Diese sind überraschenderweise sehr charmant. Ich bin einer von denjenigen die denken, dass Cronenbergs fieberhafter Film eXistenZ noch immer der beste Videospiel-Film überhaupt ist. Doch wenn Sonic The Hedgehog und Free Guy ein Indiz für die potenziellen Produkte von Videospieladaptionen sind, und wie diese auf lange Sicht funktionieren können, dann würde ich gerne mehr davon sehen. Auch wenn die dramaturgische Reise bereits zu Beginn leicht zu durchschauen ist, werden Zuschauer immer wieder vom Charme und dem guten Genre-Mix überrascht. Eine verdrehte Videospiel-Satire trifft auf leichte Science Fiction in einer niedlichen, schnelllebigen Geschichte über den Menschen.

Free Guy
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