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Close to the Sun

Close to the Sun

Wir klettern in Nikola Teslas privates Forschungsschiff und decken schreckliche Geheimnisse auf.

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Es gibt bestimmt nicht viele Sachen, die ambitionierter sind, als sich ein gigantisches Schiff zu bauen, um damit in internationalen Gewässern ungestört an eigenen wissenschaftlichen Forschungen zu arbeiten. Genau das macht Nikola Tesla in der Welt von Close to the Sun, das gerade im Epic Games Store für den PC erschienen ist. Der Name erinnert an den Flug von Ikarus, der die Ambition des Entwicklers offenbart. Doch ob das Spiel von Storm in a Teacup diese Erwartungen erfüllen kann?

Obwohl der Game Designer Joel Hakalax in Interviews wiederholt betonte, dass sein Team mit diesem Spiel kein neues Bioshock schaffen wollte, so sind die Vergleiche dennoch offensichtlich. Schon im ersten Moment, sobald das Art-Deco-Logo auf dem Bildschirm auftaucht, werden Erinnerungen an Rapture wach. Dieser legendäre Stil wurde vom 2007-er Shooter geprägt, aber das ist nicht das Einzige, was uns an die atemberaubende Welt von Rapture erinnert.

Auch die Story hat einige Parallelen mit dem großen Vorbild. Wir beginnen das Spiel mit der Journalistin Rose Archer, die eine mysteriöse Notiz ihrer Schwester Ada erhält. Die ist als Wissenschaftlerin auf Teslas Schiff Helios unterwegs, doch als Rose zu ihr gerufen wird findet sie kein luxuriöses Schiffs voller Forscher, sondern lediglich ein halbzerstörtes Schiff voller Leichen.

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Close to the Sun hat seine Probleme, doch für Genre-Fans könnte sich ein Blick trotzdem lohnen.

Wir wollen an dieser Stelle nicht zu viel von der Story preisgeben, möchten die interessanten Ideen einer alternativen Geschichtsschreibung, in der Tesla seiner Wissenschaft und futuristischen Fantasien nachjagt, aber positiv anmerken. Close to the Sun zeigt einen isolierten Freigeist, der eine eigene Gesellschaft aufbaut. Was, wenn die Rivalität zwischen ihm und dem Erfinder Thomas Edision zu einem kalten Krieg heranwächst und er eine eigene Welt ganz unter seiner Kontrolle erschaffen hat? Solche Überlegungen werden in Close to the Sun angeschnitten.

Aber eben wirklich nur das - angeschnitten. Nur wenige Themen des Games werden näher verfolgt, was echt schade ist. Das Spiel dauert ungefähr fünf bis sechs Stunden, wobei ein wenig Sammelzeug über jedes der zehn Kapitel (plus Prolog) verteilt wurde. Die Story gibt ihren Charakteren und der Rahmenhandlung nur wenig Raum zum Atmen. Selbst das große Genie Telsa hat insgesamt nur wenige, kurze Auftritte. Unsere Verbündete Aubrey bekommt da im Vergleich schon deutlich mehr Raum zugesprochen. Und selbst die Beziehung zwischen Rose und Ada wird im Grunde kaum behandelt.

Der Plot wird in halsbrecherischer Geschwindigkeit abgearbeitet und ein Höhepunkt jagt den Nächsten. Bevor wir wissen wie uns geschieht, rollt auch schont der Abspann über den Bildschirm und wir bleiben mit mehr Fragen als Antworten zurück. So wird zum Beispiel der Grund für den Niedergang des Schiffes als „komplizierte Wissenschaft" unter den Teppich gekehrt und wir fragen uns bis zum Ende des Spiels, was eigentlich konkret auf der Helios geschehen ist. Roses Beziehung zu Ada hat ihre netten Momente, aber wie in so vielen Spielen versucht die Titelheldin ständig die Anspannung durch coole Sprüche zu brechen und bringt ihre Einzeiler in den unpassendsten Momenten.

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Die Umgebungen sind stimmungsvoll inszeniert und erzählen eine eigene Abfolge der Geschehnisse.

Trotzdem ist die Verzweiflung, die Storm in a Teacup auf der Helios kreiert hat, großartig in Szene gesetzt. Die bombastischen und wirklich gruseligen Schockmomente, die sparsam eingesetzt werden, arbeiten toll mit den ruhigeren und traurigen Augenblicken zusammen, wodurch eine überzeugende Welt geschaffen wird, in der die Menschen leiden - egal wohin wir schauen. Die Geschichte wird durch Notizen vorangetragen, die lebhafte Erinnerungen enthalten und an bessere Tage erinnern sollen.

Der wahre Horror entsteht in den Verfolgungsszenen, die uns in verschiedenen Momenten der Kampagne überraschen. Waffenlos von Gegnern verfolgt zu werden kann eine große Wirkung erzeugen, aber leider müssen wir Hindernissen mit Hilfe von Quicktime-Events ausweichen, die keinen Raum für Fehler erlauben. Deshalb müssen viele Szenen mehrmals wiederholt werden und nichts zerstört die aufgebaute Stimmung mehr, als diese sinnlose Frustration.

Optisch ist die Helios ein Wunderwerk, das im luxuriösen Stil von 1897 erbaut wurde. Das Spiel ist linear aufgebaut und wir können das Schiff deshalb nicht frei erkunden. Allerdings warten überall versteckte Details auf uns, die neugierige Spieler belohnen. Es lauert etwas Finsteres auf dieser mittlerweile so schrecklich heruntergekommenen, schwimmenden Festung, das eine einzigartige Wirkung entfaltet.

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Die Vergleiche mit dem großen Vorbild lassen sich nie gänzlich abschütteln.

Die Entwickler haben die Größenordnung gut eingefangen, denn in Close to the Sun erwarten uns neben engen Korridoren verschiedenste Areale, wie den Maschinenraum oder das Theater, die uns die gigantischen Ausmaße des Schiffes demonstrieren. Das Game bedient also nicht nur den beklemmenden, klaustrophobischen Horrorfaktor. Stattdessen wird die Angst häufig dadurch erzeugt, dass wir nicht wissen wer noch mit uns in einem Raum steckt, ob wir vielleicht beobachtet werden und was hinter der nächsten Ecke lauert.

Es ist eine Schande, dass die Vergleiche mit Bioshock so unvermeidbar sind, denn sie tun dem Spiel letztlich keinen Gefallen. Wir hätten uns gewünscht, dass sich das Spiel in einigen Schlüsselmomenten mehr Zeit genommen hätte, trotzdem können wir Close to the Sun schon alleine aufgrund seiner großartigen Welt empfehlen. Es ist ganz sicher kein Horrorklassiker, aber die Welt ist voller Schmerz, Traurigkeit und Dinge, die auf ihre eigene verrückte Art wunderschön wirken. Es lohnt sich also, da genauer hinzusehen.

06 Gamereactor Deutschland
6 / 10
+
die Welt der Helios ist herausragend, Spiel vermischt Horror und Ästhetik, Storytelling wird durch Umgebung erzählt, Horror funktioniert zu weiten Teilen gut.
-
Verfolgungssequenzen mit Fustpotential, Dialoge wirken manchmal sehr gedrängt und aufgesetzt, Charaktere und Story nur in Ansätzen vorhanden.
overall score
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