Deutsch
Gamereactor
Vorschauen
Bioshock Infinite

Bioshock Infinite

Gerade mal 40 Minuten sind vergangen, da trifft einen dieser plötzliche Schock wie ein Baseball direkt ins Gesicht. Das ist eine Szene in Bioshock Infinite, die nur entwickelt wurde, um eine starke Reaktion zu provozieren. Irrational Games haben schon Eier, ein derart heftiges Thema quasi so beiläufig einzuführen.

HQ

Bei unser kleine Session mit Bioshock Infinite verbringen wir fünf Minuten auf der durchweichten Erde und fünf Stunden hoch in den Wolken. Wir werden aus einem feucht triefenden Leuchtturm nach Columbia hochgeschossen, in diese Stadt im Himmel. Am Ende der Demo müssen wir uns tatsächlich gegen den Angriff eines George Washington-Roboters verteidigen in diesem Thriller von einem Videospiel, der eine alternative Geschichtserzählung liefert und die beunruhigenden Fragen über Rassismus und Religion in einer abenteuerlichen Achterbahnfahrt verpackt.

Während seiner kurzen Einführung bemerkt Produzent Ken Levine einen wesentlichen Unterschied zwischen Columbia und der Tiefsee-Welt des Vorgängers. Wo Rapture ein Friedhof war, bereit für unsere archäologischen Studien, ist die Himmelsstadt interessiert an Anthropologie. Columbia ist auf den ersten Blick eine blühende Gesellschaft, die in zuckersüßer Dekadenz lebt. Die hellen Grundfarben, der blaue Himmel und die fürsorglichen Bürger können aber nicht darüber hinwegtäuschen, über dieses Gefühl der Falschheit. 39 Minuten später realisiert man, dass die nur der Himmel für diejenigen mit der korrekten Hautfarbe oder einfach für die Privilegierten ist. Diese Erkenntnis kommt so schrecklich, dass sie das Herz zwingt, einen Schlag zu verpassen.

Nach diesem Punkt landet man bald auf dem bekannten Terrain eines Bioshock-Shooters. Der Kernerfahrung ist bekannt und bleibt bestehen, Irrational haben wichtigere Dinge zu tun, als von einer funktionierenden Formel abzulassen. Die Waffen liegen auf der rechten Schultertaste, die Columbia-Plasmide namens Vigors werden nun nicht mehr injiziert, aber das Prinzip ist gleich.

HQ
Werbung:
Bioshock InfiniteBioshock Infinite
Der Kernerfahrung ist bekannt und bleibt bestehen, Irrational haben wichtigere Dinge zu tun, als von einer funktionierenden Formel abzulassen.

Anfangs spielen Vigors eher eine unterstützende Rolle, um Feinde kurzzeitig abzulenken oder festzusetzen, so dass wir etwas Zeit gewinnen, mit den Waffen zu hantieren. Vigors haben eine Sekundärfunktion. Halten wir die Schultertaste etwas und lassen sie dann los, legen wir eine Falle aus, die automatisch von Gegnern in ihrer Nähe aktiviert wird. Der Kuss des Teufels lässt einen Minivulkan ausbrechen oder die Feinde werden in die Luft geschleudert. Käufliche Upgrades erweitern den Schaden oder machen die abgestürzten Angreifer selbst zu neuen Fallen.

Es gibt keine langatmig skalierte Entdeckungsreise zu den Waffen. Bereits in den ersten Stunden werden die beiden Waffenslots mit Gewehren, Schrotflinten, Raketenwerfern oder Scharfschützengewehren gefüllt. Die sind großzügig in der ganzen Stadt verteilt. Aber die teuren Upgrades für mehr Power oder größere Magazine, die wie gehabt an Automaten gekauft werden, legen es nahe, sich an einen kleinen Pool von Favoriten zu halten. Leichen und die Umgebungen lässt sich weiterhin plündern auf der Suche nach interessantem Zeug.

Die Kämpfe sind einerseits wie gehabt, aber in Columbia sind sie einzigartig verlängert. Um zwischen den einzelnen Plattformen der Stadt zu reisen, nutzen wir Schienen, mit denen sie verbunden sind. Dazu nutzen wir einen magnetisierten Sky-Hook, den es früh im Spiel als Item gibt - so sind sogar Kämpfe möglich, während wir die Schienen entlangrasen. Man kann jederzeit auf ein Objekt in der Nähe zielen und mit einem schnellen Tastentipper dorthin springen. Der Haken wird auch für einige brutale Nahkampf-Finishern mehr als gut genutzt. Neuartig sind auch Risse in der Realität, durch die das Mädchen Elizabeth, das wir retten sollen, uns auf Befehl praktische Gegenstände von einem anderen Ort zum anderen schicken kann. Durch die grauen Flecken kann sie auch Munition oder Medipacks in einen Kampf schicken.

Werbung:

Es ist ein Bestandteil des Kampfes, der sich als unerlässlich erweist. Wir können neben Medipacks, auch Geschütztürme oder Hängepunkte für den Skyhook zu unserem aktuellen Standort beamen. Gegen die generelle Übermacht von Gegner wird der Einsatz der Risse bald zum Standard.

Wir nutzen die Risse nur zweimal wirklich aus: Am Ende der längeren Demo und in einer separaten Kurzsession, wo wir gegen die Columbia-Version des Big Daddy kämpfen, den Handyman. Eingeführt in die Geschichte wird er als sympathisches Wesen, wird aber eine erschreckende Kreationen des Himmels, wenn die Schlacht beginnt. Die Big Daddies waren langsam, schwerfällig und ihre Strategien signalisierten sie frühzeitig. Der Handyman gewährt nur kurze Einblicke in sein Wesen, springt, läuft, immer in Panik. Er ist immer schneller und wir damit stets ausmanövriert. Das gilt auch für Songbird, den geflügelten Koloss, der Elizabeth in jenem Gefängnis schützt, aus dem wir sie retten sollen. Der Songbird ist der Star einer atemlosen Flucht, die wunderbar inszeniert ist.

Bioshock Infinite
Wenn wir den Vigor namens Kuss des Teufels absorbieren, verbrenne wir innerlich und das Fleisch schmilzt von den Knochen.

Die Beziehung von Elizabeth und Booker DeWitt ist ein weiteres zentrales Thema des Spiels. Das Studio hat viel Zeit mit der Ausgestaltung der Charaktere verbracht, erklärt Levine. Der als Privatdetektiv gescheiterte Booker zeigt viel mehr Bewusstsein für die Schwere der Situation als das Mädchen, das mit weit aufgerissenen Augen als Alice im Wunderland während ihrer Flucht durch die Stadt wandert. Eine Hölle von einem Spannungsbogen erwartet uns da.

Booker unterscheidet sich von dem stillen Protagonisten in Rapture. DeWitt spiegelt einen westlichen Revolverheld mit harter Vergangenheit wider. Er ist hier eher als Entführer unterwegs denn auf einer Rettungsmission unterwegs. Technologie und Sehenswürdigkeiten lassen ihn unbeeindruckt. Rein optisch gesehen wird Bioshock Infinite die aktuelle Konsolengeneration als Schmuckstück krönen. Es ist ein grafisch beeindruckendes Spiel, mit Wettereffekte und ein natürlichen Ausleuchtung die stärker ist als in der im Vergleich künstliche Welt in Rapture.

Bioshock Infinite
Religion und die Kritik daran spielt eine große Rolle in dem Spiel, was man nicht nur auf den vielen Plakaten sieht.

Beim Entwerfen der Logik der Level müssen sie bei Irrational eine Menge Spaß gehabt haben. Riesige Triebwerke und Luftballons umfliegen die Häuserblocks der einzelnen Inseln. Gewerbegebiete haben Andock-Zeitpläne mit städtischen Inseln, wobei die Inseln mit Tetris-Präzision ineinander passen. Die Stadt restrukturiert sich quasi, während wir sie zu Fuß durchschreiten.

Es ist immer noch ein eher lineares Erlebnis, obwohl die Bezirke weiter ausgelegt sind und uns Raum zum Erkunden lassen. Das Abweichen von dem Hauptpfad wird häufiger möglich sein, je weiter wir Columbia entdecken. Optionale Nebenaufgaben legen nahe, dass wir die Level später erneut besuchen dürfen.

Aber wo immer wir uns befinden, wir katalogisieren quasi alles: Schilder, Gespräche, Schlüsselwörter. Bioshock lieferte am Ende eine Wendung, die uns neu bewerten ließ, was wir bis dahin erlebt hatten. Jetzt fühlt es sich an, als ob hier noch mehr möglich wäre - und ein paar Theorien dazu haben wir auch. Was ist die Bedeutung des häufiger wiederkehrenden Paares, das uns unterstützt? Oder die Nahtod-Traumsequenzen, die uns zurück in Bookers Büro flashen? Ist alles am Ende nur ein Traum, eine virtuelle Realität?

Bioshock InfiniteBioshock InfiniteBioshock Infinite

Ähnliche Texte

1
Bioshock InfiniteScore

Bioshock Infinite

KRITIK. Von Rasmus Lund-Hansen

Mit dem spirituellen Nachfolger zum großartigen Bioshock liefern Ken Levine und Irrational Games ein echtes Meisterstück ab.



Lädt nächsten Inhalt