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Tiny Tina's Wonderlands

Tiny Tina's Wonderlands

Gearbox' neues Borderlands-Spiel ist letzte Woche erschienen und wir haben uns ein paar Gedanken über den neuesten Ableger der Marke gemacht.

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Obwohl der dritte Teil der Borderlands-Reihe für mich persönlich nicht die Höhen erreicht, auf denen ich die ersten beiden Meisterwerke verorten würde, liebe ich die Shooter von Gearbox Software einfach. Mit Tiny Tina's Wonderlands wollen die Entwickler an alte Stärken anknüpfen und dafür nutzen sie die wahnwitzige Erweiterung „Tiny Tina's Assault on Dragon Keep" aus dem Jahr 2013. Dieses Add-On verwandelte das Abenteuer der Kammerjäger in einen famosen Dungeons-&-Dragons-Rollenspielabend, den Tiny Tina als Game-Master für die Spieler vorbereitete.

Für mich ist diese Erweiterung nach wie vor das Beste, das die Borderlands-Reihe bislang hervorgebracht hat und deshalb habe ich mich sehr darauf gefreut, Tiny Tina's Wonderlands zu spielen. Es ist ein komplettes Spiel, das auf der Prämisse von Assault on Dragon Keep aufbaut, aber noch mehr Elemente aus der wunderbaren Welt der Tabletop-Rollenspiele einpflegt. Interessanterweise wird dieses Gericht auch mit vielen Bestandteilen aus digitalen japanischen Rollenspielen angereichert, denn in einer brillanten Einführung schlüpfen wir in die Rolle eines RPG-Neulings, der so verblüfft von allem ist, dass er weder Charakter noch Persönlichkeit bekommen hat.

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Handsome Jack ist natürlich schwer zu schlagen, aber der Drachenlord ist der zweitbeste Hauptfeind, den die Borderlands-Serie je hatte.
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Das erlaubt es den Spielern, einen eigenen Avatar in einem System zu schaffen, das viel tiefer reicht, als die „Charaktereditore", die wir von der Borderlands-Serie gewohnt sind. Es gibt sechs Charakterklassen und nachdem ihr eure Wahl getroffen habt, verteilt ihr wie bei klassischen Rollenspielen Punkte für Stärke, Intelligenz und Ähnliches, um eure Spielfigur zu modifizieren. Insgesamt handelt es sich um ein gutes System, das es euch erlaubt, Eigenschaften auf (für die Reihe) bisher ungeahnte Weise zu mischen. Ich persönlich habe mich für einen Clawbringer entschieden und meine Partnerin für einen Graveborn, der dunkle Magie einsetzt.

Die Hälfte der Klassen bringt einen Begleiter mit auf das Schlachtfeld, so wie es FL4K aus Borderlands 3 tat. Das Gefährtensystem scheint Gearbox gut zu gefallen, aber ich muss sagen, dass ich davon schon in Borderlands 3 nicht völlig überzeugt war. Die Schlachtfelder von Borderlands können wahnsinnig intensiv werden und deshalb ist es für die Übersichtlichkeit nicht gerade förderlich, wenn drei andere Mitspieler ihren eigenen Zoo im Gepäck haben. Die bis zu vier computergesteuerten Begleiter sorgen doch nur für noch mehr Verwirrung auf dem Spielfeld.

Tiny Tina's Wonderlands
Die Kämpfe sind ebenso unterhaltsam wie hektisch, und das Waffensystem wird nie langweilig.

Nach der anfänglichen Präsentation der Grundlagen wird uns der Drachenlord vorgestellt - der Hauptantagonist dieses Abenteuers. Der Schauspieler Will Arnett spricht den Charakter im Originalen ein und er leistet hervorragende Arbeit. In Borderlands 3 mochte ich die beiden hippen Influencer-Bösewichte nicht, da sie mir besonders im Vergleich zu Handsome Jack aus Borderlands 2 sehr fad erschienen. Der Drachenlord hingegen hat eine ganz eigene Persönlichkeit und der begnadete Arnett steigert diese zu ungeahnten Höhen.

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Tiny Tina selbst ist die Kerkermeisterin dieses Spiels und sie ist im Laufe des Abenteuers ziemlich oft zu hören und zu sehen. Auch wenn mir das Mädchen manchmal ein bisschen zu viel wurde, ist sie doch eine wunderbare Figur, die den Humor der Serie zu weiten Teilen trägt. Sie erzählt uns ständig mit großem Einfühlungsvermögen, was vor sich geht, heckt die makabersten Dinge aus (die wir Spieler ertragen müssen) und schreckt nicht davor zurück, uns für fragwürdige Entscheidungen zu verspotten.

Dass es sich bei den Entwicklern um Leute handelt, die selbst viel Zeit mit klassischen Pen-&-Paper-Rollenspielen verbracht haben, schimmert an vielen Stellen durch und obwohl ich mich diesem Hobby schon sehr lange nicht mehr selbst hingegeben habe, erkenne ich einige Dinge wieder. Warum sollte man den Spielern nicht erlauben, eine falsche Entscheidung zu wiederholen, wenn es gut für die Geschichte ist? Und wie sollte sich der Kerkermeister verhalten, wenn die Spieler etwas ganz anderes machen wollen, als dem beabsichtigten Weg zu folgen? Sicher ist es auch mal in Ordnung, etwas zu schummeln...

Tiny Tina's Wonderlands
Tiny Tina (wieder vertont von Ashly Burch) ist eine hervorragende Spielleiterin.

Die Rollenspielelemente und das Fantasy-Thema sind die beiden wichtigsten Säulen von Tiny Tina's Wonderlands. Es gibt eine Art Oberwelt in der Art alter japanischer Rollenspiele, auf denen ihr bis zu einem gewissen Grad sogar Zufallskämpfe und dergleichen entdeckt. Es macht viel mehr Spaß, auf der Oberweltkarte zwischen verschiedenen Missionen und Orten hin- und herzureisen. Das ziehe ich den viel zu langen Strecken durch das lahme Ödland jedenfalls klar vor. Davon abgesehen besteht absolut kein Zweifel daran, dass es sich hier um ein Borderlands-Spiel im Fantasy-Gewand handelt. Die Tatsache, dass man die eigene Schrotflinte mit magischem Pulver nachlädt oder dass manche Gewehre Pfeile verschießen, ändert nichts an der Tatsache, dass es vom Gameplay her völlig identisch mit Borderlands 3 ist. Gearbox hat versucht, das Konzept ein wenig aufzumischen, indem eine spezielle Nahkampfwaffe und Magie hinzugefügt wurden (was im Wesentlichen die Klassenfunktionen aus Borderlands 3 ersetzt), aber letztendlich ändert selbst das nur wenig am Spielgefühl.

Mit anderen Worten: Wer Borderlands kennt, wird es schnell wiedererkennen und zu schätzen wissen. Als Borderlands-Veteran weiß ich zwar, wie das HUD funktioniert, aber ich finde, dass die Menüs viel schlechter erklärt werden und dass es nicht immer ganz klar ist, was eine Waffe oder eine Eigenschaft bewirkt. All das mag natürlich nach Kritik klingen, und ich nehme an, das ist es bis zu einem gewissen Grad auch, aber gleichzeitig finde ich die Serie phänomenal unterhaltsam und ihr Action-Gameplay absolut erstklassig. Es mag zwar mittlerweile alt sein, aber es macht immer noch Spaß, Schlachtfelder zu plündern und dabei neue Waffen und Ausrüstungsgegenstände zu finden, die man gleich am nächsten Ziel ausprobieren will. Allerdings möchte ich anmerken, dass das Abenteuer leider nicht sehr ausgefeilt ist. Es gibt einfach zu viele Bugs und das Spiel läuft auch auf den Konsolen nicht so gut wie es sollte. Auch die Musik finde ich diesmal nicht besonders einprägsam.

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Die Grafik wirkt ein wenig primitiv und auch technisch ist dieses Abenteuer nicht so ausgefeilt, wie wir uns das gewünscht hätten.

Ich finde Tiny Tina's Wonderlands allerdings richtig lustig, obwohl es nicht den Humor von Borderlands 2 erreicht (aber wer kann das schon von sich behaupten?). Mich hat das Spiel mit mehrere Anspielungen und Parodien an die Popkultur zum Lachen gebracht, weil die Entwickler genau das richtige Maß an Cleverness beweisen, ohne uns die Pointe unter die Nase zu reiben. Ich will euch nicht zu viel verraten, aber zum Beispiel die Tatsache, dass die Zufallskämpfe nur im hohen Gras stattfinden, ist eine nette Anspielung an die Pokémon-Serie.

Letztendlich finde ich, dass vieles in Tiny Tina's Wonderlands sehr gut funktioniert. Der Sprecher des Drachenlords ist absolut perfekt, Andy Samberg und Wanda Sykes tragen als Mitspieler ebenfalls zu einer netten Diskussion bei, es macht Spaß, die Welt zu erkunden, die Kämpfe sind actionreich, es gibt viele Geheimnisse, und das Plündern von Beute wird einfach nie langweilig. Ich glaube trotzdem, dass das Spiel davon profitieren würde, wenn es etwas benutzerfreundlicher und sauberer wäre. Und natürlich müssen sich die Entwickler den Wunsch nach Gameplay-Innovationen gefallen lassen. Tiny Tina's Wonderlands ist letzten Endes nämlich "nur" Borderlands in einer Fantasy-Verpackung.

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07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
großartige Action, der Drachenlord ist brillant, Humor sitzt, das Beutesystem ist immer noch fantastisch, interessante Spielwelt
-
es fehlt etwas wirklich Neues, nicht sonderlich poliert, Menüs sind zu überladen.
overall score
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KRITIK. Von Jonas Mäki

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