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Quantum Break

Quantum Break

Die Zeitreise von Remedy ist ein sehr schönes Adventure geworden, mit ordentlich Action und einer sehr ambitioniert erzählten Geschichte. Klingt toll, oder?

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Quantum Break stand sofort ziemlich weit oben auf meiner Wanted-Liste, als ich das erste Mal von dem Game gehört hatte. Entwickler Remedy hatte sich mit Alan Wake in mein Herz gespielt und ich freute mich ziemlich auf das, was die Finnen da in dem kalten und dunklen Land weit oben im Norden konzipierten und programmierten. Eine Zeitreise-Geschichte, in deren Mittelpunkt der ziemlich cool abgerockte Jack Joyce steht, der mit einem etwas durchgedrehtem Genie-Bruder gesegnet ist. Und einem Freund, der sich nach sechs Jahren Abwesenheit dann doch ein bisschen verändert hat.

Zur Story erzähle ich mal nichts weiter. Einerseits, weil sie jeder selbst erleben soll. Andrerseits, weil sie sich je nach individuellen Entscheidungen an Schlüsselmomenten etwas anders darstellen wird. Was durchweg gilt: Die Geschichte ist, so verworren diese mehrdimensionale Zeitreisenummer prinzipiell auch sein mag, schlüssig und glaubhaft erzählt. Und sie macht Spaß bis zur letzten Einstellung, auch wenn sich gen Ende doch recht deutlich herauskristallisiert, wohin die Reise geht. Das Spiel ist in fünf Akte mit je drei Episoden aufgeteilt. Nach jedem Akt wartet eine Abzweigung, an der man aus der Perspektive von Jack Joyce in die seines Gegenspielers Paul Serene wechselt. Auch das sind kurz "spielbare" Passagen, an deren Ende je eine folgenschwere Entscheidung steht.

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Und immer wieder sind die medialen Welten geschickt verknüpft. In der TV-Show werden ähnliche Effekte benutzt wie im Spiel, so dass hier die Mediengattungen verschwimmen.
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Ist diese Entscheidung getroffen, folgt eine knapp 20-minütige Episode zum Anschauen, die mit echten Schauspielerin inszeniert ist. Deren Inhalt ist, in Teilen jedenfalls, abhängig von früher getroffenen Entscheidungen. Die Qualität ist hoch, die Schauspieler echte Profis und durchgängig stark besetzt. Das ist absolut auf Augenhöhe mit einer von Netflix produzierten TV-Show - "nur" das diese Live-Action-Serie hier eben noch direkt mit dem Spiel verbunden ist. Und immer wieder sind die medialen Welten geschickt verknüpft. In der TV-Show werden ähnliche Effekte benutzt wie im Spiel, so dass hier die Mediengattungen verschwimmen. Das ist für mich das erste Mal, dass ich das in dieser Form so gelungen wahrgenommen habe. Cool gemacht ist auch, wie Nebendarsteller immer wieder ganz beiläufig auftauchen im Spiel und in der TV-Show und dann wieder im Spiel.

Allerdings bringt so viel Konsistenz an anderer Stelle Nachteile mit sich. Quantum Break ist als Spiel selbst ziemlich linear. Die durchweg schick und abwechslungsreich gestalteten Level bieten kaum Möglichkeiten zur freien Erkundung oder gar Entfaltung. Und das, was man nebenher sammeln und finden kann, ist langweilig. Es gibt zum Beispiel Terminals und Laptops mit E-Mails, teils langen Textwüsten, die zudem (wirklich leider) wertvolle Hinweise auf die Zusammenhänge der Ereignisse liefern. Es ist nicht so, dass man ohne das Lesen dieser Mails nichts verstehen würde. Aber nach der Lektüre erscheint vieles in einem anderen Licht. Frage nach Finnland, für einen Freund: Wer hat 2016 noch Lust, im echten Leben E-Mails zu lesen? Geschweige denn in Videogames...

Zum Glück werden die tatsächlich öden Erkundungspassagen immer wieder durch Kämpfe mit Sicherheitspersonal des Großkonzerns Monarch Solutions unterbrochen. Der verfügt neben einer Zeitmaschine auch über schier unermessliche Ressourcen und kann darum auch die Menschen auf der Gehaltsliste im Dutzend ins Unglück schicken. Jack verfügt in den Kämpfen über Superkräfte, von denen er schnell und viel Gebrauch macht, so deren Cooldownphase es denn zulässt. Zeit einfrieren, Gegner einfrieren, Kugeln blocken, Zeitexplosionen, blitzartig rumflashen. Und nebenbei immer artig das Sturmgewehr, die Schrotflinte und die Knarre leerballern. Superkräfte und Schießgerätschaften lassen sich stylish kombinieren, so dass die Gegner bis zum letzten Kampf schnell in einem imposant inszenierten Effektfeuerwerk ihr Leben lassen. Sehr kurzweilig und selten langweilig, obwohl es kaum unterschiedliche Gegnertypen gibt und deren Strategien so durchsichtig sind wie die Glasfassade von Monarchs schickem Bürotürmchen in Riverport.

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Quantum Break ist ein spannendes, glaubwürdiges Spiel in einem etablierten Sci-Fi-Setting.

Aber es macht schon extrem Laune, die Angreifer in der Zeit einzufrieren und sie dann abzuservieren. Leider bieten sie selbst auf dem harten Schwierigkeitsgrad wenig wirkliche Herausforderung. Es gab nur kaum Passagen, in denen ich wirklich in Bedrängnis gekommen bin. Und den einzigen Hänger hat eine der wenigen Jump'n'Run-artigen Sequenzen produziert, die etwas unter der dann hakeligen Steuerung und wirren Optik der völlig dekonstruierten Level leiden - deren Grundidee ich allerdings wirklich sehr sehr mag. Leider wurde davon viel zu wenig eingebaut. Hätten sie mal 75 Prozent des öden Rumrennens (häufig eher Rumwandern) auf der Suche nach Chrononquellen für das Upgrade der Superkräfte rausgeschmissen und den Platz solchen Passagen wie der im Frachtschiff oder auf der kollabierenden Brücke spendiert.

Die deutsche Synchronisation ziemlich gut gelungen, auch die durchweg hohe Qualität der textlichen Übersetzung überzeugt. In Spanien hat das leider nicht geklappt, sagt mein dortiger Gamereactor-Kollege. Dennoch ist die Produktionsqualität von Quantum Break schon ein ziemliches Pfund. Übersichtliche und schick gestaltete Menüs, ein sehr aufgeräumter Bildschirm ohne viel Schnickschnack, der einem trotzdem immer alles Nötige sagt. Alles sehr überlegt. Rein strukturell kann man sich natürlich streiten, wie sinnvoll es ist, dass die Realfilm-Epsioden entweder als 75 GB großer Download oder im Livestream angeboten werden. Letzter führte bei Kollegen in Schweden trotz 100Mbit-Leitung zu großen Problemen, während bei mir immer alles rund lief mit VDSL 50.

Quantum Break ist ein spannendes, glaubwürdiges Spiel in einem etablierten Sci-Fi-Setting. Philip K. Dick hätte seinen Spaß mit der Art und Weise, wie Remedy so einige seiner Ideen genommen und in ein Videospiel verpackt hat. Es ist ein erwachsenes Spiel, das man genauso gut am Stück in knapp zwölf Stunden durchspielen kann wie es Akt für Akt oder auch Episode für Episode langsam zu genießen. Und hat man es einmal durchgespielt, freut man sich sofort auf den nächsten Durchgang, um zu schauen, wie anders der nun werden wird. Und man fragt sich ebenso sofort, was mit dem Spiel und er Marke passiert. Denn das Ende ist offen. Ich hoffe inständig auf mehr Quantum Break!

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08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
tolles Gesamtkunstwerk, spaßige Actionpassagen, gute TV-Show und dazu geschickt mit dem Game verknüpft, hohe Gesamtqualität
-
sehr linear, Teile der Story in Textwüsten-E-Mails versteckt, öde Erkundungspassagen
overall score
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