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Napoleon: Total War

Napoleon: Total War

Einmal mehr schickt Sega die Spieler in gigantische Massenschlachten. Die Total War-Reihe ist zurück und widmet sich mit Napoleon erstmals nur einer einzigen bedeutenden Figur. Funktioniert das Konzept?

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Oh du schönes Korsika. Viele kennen dich noch aus ihrer Kindheit. Aus den Asterix-Comics. Doch sonst gerätst du, sofern nicht gerade eine Urlaubsplanung ansteht, oft in Vergessenheit. Dabei hast du einen der größten Eroberer und Strategen aller Zeiten hervorgebracht: Napoleon. Er tauchte bisweilen sogar in manchem Spiel auf, doch jetzt wird der Feldherr besonders gewürdigt. Napoleon: Total War ist der erste Teil der Serie, der sich auf nur einen einzigen Anführer stützt. Was auf den ersten Blick belanglos erscheinen mag, hat bei näherer Betrachtung aber zahlreiche Folgen.

Die Änderungen betreffen dabei vor allem auch den Spielumfang. Wo Empire: Total War noch die Wahl ließ, sich zwischen diversen Nationen für die Kampagne zu entscheiden, gibt es bei Napoleon: Total War nur noch eine Seite, für die der Spieler zu Felde ziehen darf, nämlich Frankreich. Ärgerlich für Anhänger von Al Bundy, der schon vor langer Zeit wusste: "Es ist falsch, ein Franzose zu sein". Um es weniger abstrakt zu formulieren: Die Verminderung des Umfangs dürfte bei vielen Fans nicht gerade wohlwollend aufgenommen werden. Lediglich drei Kampagnen stehen zur Auswahl, wovon zwei davon zudem äußerst kurz ausgefallen sind. Stets wird dabei Napoleon selbst auf seinen Feldzügen begleitet. Über Italien geht es nach Ägypten und am Ende steht Russland auf dem Schlachtplan.

Napoleon: Total War
Wie der Titel schon vermuten lässt, steht diesmal einzig und allein Napoleon im Mittelpunkt - von Italien bis nach Russland.

Mit an Bord sind dieses Mal auch kurze Videos, welche den Lebenslauf und hin und wieder auch die Gefühle des Franzosen aus Korsika unter die Lupe nehmen. Eine nette Idee, die allerdings kaum Beachtung finden wird, da die Videos zu großen Teilen äußerst langweilig daherkommen und der Sprecher Schlaftabletten geschluckt haben muss. Immerhin: Ein einfacher Mausklick genügt, um sie zu schließen. Wer also auf eine stark präsentierte Geschichte gehofft hat, wird leider enttäuscht. Doch darum ging es bei Total War ja so oder so nie wirklich. Im Mittelpunkt stand stets die Eroberung ganzer Kontinente.

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Und das ist natürlich auch so geblieben. Nach wie vor findet sich im Spiel eine Übersicht der (Spiel-)Weltkarte. Nach wie vor werden die Figuren über diese Karte bewegt. Runde um Runde. Außerdem wollen Städte ausgebaut und Armeen zusammengestellt werden. Und natürlich gibt es auch wieder bombastische Schlachten, die dann in Echtzeit ablaufen. Alles beim Alten geblieben? Nicht so ganz. Dadurch, dass dieses Mal eine wesentlich kleinere Zeitspanne betrachtet wird, müssen sich erfahrene Generäle ein wenig umgewöhnen. Entsprach im Vorgänger eine Runde gleich Monaten, so ist die zeitliche Dauer einer Runde dieses Mal auf zwei Wochen gesetzt worden. Und das hat Folgen: Wer ein Gebäude errichten will, der muss jetzt einige Runden auf die Fertigstellung warten. Auch Truppen benötigen in ihrer Ausbildung eine Weile länger.

Durch die verkürzte Zeitspanne haben auch die Jahreszeiten jetzt eine Bedeutung. Wer meint, auch im Winter mit seiner Armee wie wild durch die Weltgeschichte marschieren zu können, der wird schnell feststellen, dass die Soldaten auch erfrieren können. In der Wüste können sie dagegen verdursten. Schutz gibt es nur in Städten und Siedlungen. Die sind derweil auch ein gutes Stichwort, denn auch hier wurde von den Entwicklern Hand angelegt. Der Handel ist in den Hintergrund getreten, dafür gibt es jetzt die Wahl bei kleineren Städten entweder Handelsposten oder aber Nachschublager einzurichten. Hier kommt es auf die richtige Mischung an, denn Truppen werden nur dann wieder verstärkt, wenn es Nachschublager gibt - Noch im Vorgänger war es möglich, einen Geldbetrag zu zahlen, um die volle Stärke zu erlangen. Aber so eine Armee kostet nun mal auch Geld, weshalb auch die Handelsposten wichtig sind. Wie gesagt: Die Mischung macht's.

Napoleon: Total War
In Napoleon: Total War spielen Jahreszeiten eine wichtige Rolle. Soldaten können zum Beispiel auch erfrieren.

Insgesamt sind die Kampagnen leichter ausgefallen als bei Empire: Total War. Was aber auf gar keinen Fall heißen soll, dass Napoleon: Total War ein Zuckerschlecken ist. Wo im Vorgänger Truppen relativ einfach zu ersetzen waren, kommt es dieses Mal auf jede Einheit an. Verluste wirken sich merkbar auf das Spielgeschehen aus, zumal es eine weitere Neuerung gibt, welche die volle Aufmerksamkeit verdient: Zeitliche Beschränkungen. Dadurch werden Feldherren zum Handeln gezwungen. Es reicht nicht mehr, abzuwarten und eine mächtige Armee auf die Beine zu stellen, denn dafür reicht die Zeit einfach nicht aus. Ein Grund mehr, die Schlachten nicht berechnen zu lassen, sondern selbst auszufechten.

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Das hat aber noch einen anderen einen simplen Grund: Der Feind ist oft in der Überzahl. Will heißen: Wer den Computer entscheiden lässt, der macht oft wesentlich höhere Verluste. Also macht es Sinn, sich den Schlachten selbst anzunehmen. Treffen zwei Armeen aufeinander, kommt es zum Kampf und das Spiel wechselt in eine gänzlich andere Perspektive. Die Übersichtskarte der Spielwelt ist dann Geschichte. Eine schicke 3D-Welt breitet sich dann vor den Augen aus, wo zunächst einmal die beiden Kriegsparteien ihre Truppen platzieren. Fußvolk an die Front, Reiterei an die Flanke und Kanonen möglichst auf eine Anhöhe - schon kann es losgehen.

Neu ist, dass die Umgebung auch deformiert werden kann. Kanonenkugeln und Granaten reißen Krater in den Untergrund und ganze Häuser können zusammenstürzen. Auch auf die Deckung und Höhenunterschiede wirkt sich dieses System ein wenig aus. Interessant: Wie bei der gesamten Serie ist es auch in Napoleon: Total War möglich, die gegnerische Armee an Engpässen festzunageln und zu demontieren. Dafür lockt sie jetzt noch fieser in Hinterhalte, was dieses Manko zumindest teilweise ausgleichen kann. Allgemein gilt: Wer taktisch vorgeht und gut plant, der hat gute Chancen, auch gegen eine Übermacht zu bestehen.

Napoleon: Total War
Alles in allem ein gutes Strategiespiel, auch wenn es beim Umfang etwas hapert.

Neben den Kampagnen gibt es aber auch einige weitere spezielle Schlachten. So dürfen beispielsweise die berühmtesten Schlachten von Napoleon Bonaparte nachgespielt werden. Egal ob Waterloo oder die Seeschlacht am Nil - da ist für jeden Spieler etwas dabei. Am mäßigen Umfang ändert dies jedoch wenig. Doch der wahre Kaufgrund verbirgt sich an anderer Stelle. Und zwar im Mehrspielermodus. Empire: Total War bekam ihn kürzlich nachgereicht, Napoleon: Total War bringt ihn von Haus aus mit. Dabei ist es jetzt auch möglich, die Kampagne gemeinsam mit einem Freund durchzuspielen. Im Test funktionierte das auch ziemlich gut, lediglich einen Absturz muss ich vermelden. Da das Spiel jedoch automatisch speichert, stellte selbst der eine Ausfall kein Problem dar.

Wirklich genial ist dann aber das Drop-In-Feature. Ist selbiges aktiviert, kann es mitten in der Kampagne dazu kommen, dass sich ein menschlicher Mitspieler in eine Schlacht einklinkt und die Kontrolle über die gegnerische Armee nimmt, sodass man plötzlich nicht mehr der künstlichen Intelligenz gegenübersteht. Gut, dass dies vorab im Ladebildschirm angekündigt wird. Diese Neuerung bringt einen angenehmen Schwung in den Spielablauf, da "echte" Gegner eben doch gänzlich anders agieren als ein Computer. Ebenfalls schön: Es ist ebenfalls ohne Probleme machbar, in der Spiellobby nach passenden Gegnern Ausschau zu halten. Desweiteren stehen noch zahlreiche Karten für private Schlachten im Internet oder auf LAN-Partys zur Verfügung.

Technisch ist Napoleon: Total War einmal mehr verschönert worden. Sei es das Hitzeflimmern bei den Gewehren oder aber der allgemeine Detailgrad: Die Grafikkarte bekommt bei diesem Spiel viel Arbeit. Trotzdem ist die Performance in Ordnung. Selbst mit einem etwas älteren Rechner laufen die aufwendig inszenierten Schlachten meist butterweich ab. Ebenso haben sich die Entwickler bei der Klangkulisse keine Blöße gegeben. Ganz egal ob jetzt bei der Musik oder bei den Effekten: Das Gesamtbild ist beeindruckend. Festzuhalten bleibt: Sowohl Augen, als auch Ohren bekommen viel geboten.

Trotzdem: Ganz so euphorisch sollte der neue Ableger der Reihe nicht unbedingt betrachtet werden: Die Seeschlachten nehmen nur noch eine untergeordnete Rolle ein, der Umfang ist trotz des Mehrspielermodus eher gering und nach wie vor gibt es Probleme mit der künstlichen Intelligenz. All das ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass auch Napoleon: Total War ein durchweg gutes Strategiespiel geworden ist. Selbst wenn der titelgebende Feldherr am Ende durch kaum mehr als seinen Namen auffällt.

08 Gamereactor Deutschland
8 / 10
+
Beeindruckende Optik, taktischer Tiefgang und ein toller Mehrspielermodus
-
Geringer Umfang, öde Geschichte und Probleme mit der KI
overall score
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