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Army of Two: The 40th Day

Army of Two: The 40th Day

Wir haben in der europäischen Fassung von Army of Two: The 40th Day die Zwei-Mann-Armee Salem und Rios angeheuert, um Shanghai etwas aufzumischen, als plötzlich eine Katastrophe über sie hereinbricht. Das ist ausschließlich positiv und bedeutet in der Praxis nur noch mehr Hau-Drauf-Action und Koop-Stylen...

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Ein leichter Auftrag, dachten Salem und Rios, als sie ihre unerbittlichen Hockeymasken und eine Menge Knarren einpackten und sich auf den Weg nach Shanghai machten. Ein paar Typen um die Ecke bringen und viel schnelles Geld einheimsen. Ein Kinderspiel. Das einzige Problem war, dass sie kaum mit ihrem Auftrag fertig waren, als die Stadt kollabierte und fliegende Fahrzeuge vom Himmel stürzten oder Wolkenkratzer wie Dominosteine umfielen. Danach blieb eine Großstadt übrig, die insgesamt in so schlechter Verfassung war, dass sie am ehesten mit einem Hotelzimmer verglichen werden konnte, in dem Mötley Crüe gerade eine Nacht verbracht hatten.

Schlimm also. Furchtbar schlimm. Mitten in all dem Chaos stecken Salem und Rios, ohne eine Möglichkeit zu entkommen und ohne einen blassen Schimmer, was gerade passiert ist. Was bleibt einem da anderes übrig, als sich die Hockeymasken wieder überzuziehen und ein paar Überstunden zu machen. Auch wenn beim Gameplay vieles so ist wie es war, hat EA versucht, das Army of Two-Konzept zu variieren. Es wurde mehr Abwechslung ins Spiel eingebracht und wir werden außerdem für Handlungen verantwortlich gemacht, was in gewisser Weise die Story beeinflusst.

Army of Two: The 40th Day ist ganz und gar vom Leitmotiv des gesprengten Shanghai durchdrungen und mit nur wenigen Minuten Pause explodieren konsequent weitere Dinge und fallen in sich zusammen. Im Unterschied zum ersten Spiel, wo an vielen Orten gekämpft wurde, bleibt man in Army of Two: The 40th Day die ganze Zeit in Shanghai. Das geht auf Kosten der Umgebungsvariation, auch wenn EA das absolut denkbar Beste aus der Situation gemacht hat.

Wo Army of Two in vielen Dingen noch an eine Light-Version von Gears of War erinnerte, hat EA im Nachfolger versucht, einen eigenen Stil herauszumeißeln. Das merkt man vor allem daran, dass Salem und Rios richtige Persönlichkeiten bekommen haben, aber auch daran, dass das Pimpen von Waffen noch ordentlich ausgeweitet wurde. Jetzt zieht sich das Duo seine Masken aus, sobald sich nur eine Möglichkeit eröffnet. Sie sehen sogar unterschiedlich aus und aus den Dialogen erfährt man mehr über sie als Personen und wie sie eigentlich so drauf sind.

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Trotzdem gibt es in Army of Two: The 40th Day bedeutend weniger Dialoge als im Original. Stattdessen ist der Dialog aber glaubwürdiger, insgesamt sehr viel besser geschrieben und er hat vor allem ein besseres Timing. Jetzt kann es passieren, dass die beiden die gleichen Einzeiler ablassen, die mir spontan aus dem Mund fahren, wenn noch ein Haus in sich zusammenfällt oder etwas Unerwartetes passiert.

Als Ergebnis des Versuches, mehr Persönlichkeit zu schaffen und das Spielerlebnis Maßschneidern zu können, wurden außerdem die Möglichkeiten verbessert, eigene Waffen bauen zu können. Jetzt kann man sich in größerem Ausmaße als je zuvor darum bemühen, sein Lieblingsmagazin zu finden, die Lieblingsgewehrläufe und anderes Zubehör, um dann schließlich die Wumme in einer feschen Farbe zu lackieren, natürlich in Kombination mit einem knalligen Muster. Oder wieso nicht einfach 10.000 Dollar raushusten, um das Teil in Gold lackieren zu lassen?

Netter Nebeneffekt: Die Tatsache, dass es eigentlich ziemlich wenig Waffen in Army of Two: The 40th Day gibt, wird durch das Customizing gut vertuscht. Ich benutze frohlockend nur eine einzige Waffe während des ganzen Spiels, nur um sie exakt in das zu verwandeln, was ich mir wünsche. Man kann sogar Bajonette für die eigene Waffe auswählen, was die Nahkämpfe radikal beeinflusst. Wer mal den Schraubendreher auscheckt, wird sehen wie das gemeint ist.

Obwohl es bereits am Anfang Zubehör im Überfluss gibt, wird es ständig aus Lagern längs der Level aufgefüllt. Normalerweise werden diese von Feinden bewacht, die schnell und effektiv besiegt werden sollen, so dass man ein paar neue technische Spielereien kriegt. Geht das schief, verschließt der Feind die Kisten und die Raritäten gehen einem durch die Lappen. Um noch einmal zu unterstreichen, wie wichtig dieser Part für Army of Two: The 40th Day ist: Man kann jederzeit (außer während der Kämpfe) ins Menü gehen und mit den Waffen herumspielen. Das ist natürlich absolut unlogisch, aber eine unterhaltsame Funktion, die viel zur Spielbarkeit beiträgt.

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Man merkt, das sich EA gerade mit der Spielbarkeit viel Mühe gegeben hat. Das Meiste wurde überarbeitet und in vielen Fällen vereinfacht. Ein Beispiel dafür ist, dass man sich jetzt, wenn man Schutz sucht, in die schutzgebende Umgebung hineinwirft und nicht mehr wie früher in den Wänden "hängenbleibt". Vermutlich steckt die Idee dahinter, dass es einfacher sein soll, sich zu bewegen. Aber diese Veränderungen sind nicht ausschließlich von Vorteil. Natürlich braucht man weniger Tastendrücken als in Army of Two oder Gears of War um zu manövrieren, aber der eigene Held macht häufig etwas ganz anderes als das, was man sich eigentlich vorgestellt hatte. Zum Beispiel stellt er sich in eine Türöffnung als nicht zu verfehlendes Ziel, obwohl er doch eigentlich nur um die Ecke schießen sollte.

Genau wie im Vorgänger ist es Voraussetzung, dass man Army of Two: The 40th Day gemeinsam mit einem Kumpel durchspielt. Es gibt sogar Splitscreen für jene, die an Online-Phobie leiden. Ein gutes Beispiel für die Fokussierung auf den Koop-Modus ist der Aggro-Wert, den man aufstockt, indem man auf den Feind schießt. Dies ist ganz einfach ein Wert, der anzeigt, gegen wen der Feind am intensivsten kämpft, was dem anderen Spieler die Möglichkeit gibt, sich anzuschleichen und den Feind zu flankieren, der ja nur Augen für den Aggro-Spieler hat.

Dieses System funktionierte bereits im ersten Spiel ziemlich perfekt und ist - falls das überhaupt geht - in Army of Two: The 40th Day noch etwas besser. Jetzt kann ein Spieler seine Gegner markieren, was zur Folge hat, dass der andere Spieler leicht erkennen kann, wer ausgeschaltet werden soll, was die Zusammenarbeit ordentlich verbessert. Eine andere Neuerung ist die Möglichkeit, aufzugeben und sich auf die Knie fallen zu lassen, um den Gegner herauszulocken, damit der zweite Spieler ihn umlegen kann. Außerdem kann man auf wunderbare Weise seinen eigenen Tod simulieren, um vom Feind in Ruhe gelassen zu werden und es werden einem Gelegenheiten gegeben, hinterrücks wild drauf los zu ballern, wie es auch im ersten Teil schon machbar war.

Mehrere der besten Boss-Kämpfe fordern diese absolute Zusammenarbeit. Es ist notwendig, dass der eine Spieler das Feuer auf sich zieht, damit der zweite Spieler ungehindert den wirklichen Schaden anrichten kann. Da kann es sich beispielsweise um einen Feind handeln, der von vorne total unbesiegbar ist und uns in langsamem Takt in eine Ecke drängt, um es dann zu beenden. Wenn ihn dann aber einer ordentlich beschießt, kann der zweite Spieler entschlüpfen und ihn von hinten eliminieren, wo er merkwürdigerweise gar keinen Schutz hat.

Aber nicht alles ist Friede, Freude, Eierkuchen und die größten Koop-News sind, dass Salem und Rios sich nun zwischen den Runden voneinander trennen müssen, um Türen von innen öffnen zu können und ähnliches. In der Theorie ist das vielleicht eine gute Idee, aber in der Praxis bedeutet dies, dass wir einander nicht so viel helfen können wie es nötig wäre. So stirbt häufiger mal einer, ohne dass es die Möglichkeit der Unterstützung durch den Partner gibt.

Es gibt außerdem Geiseldramen, in denen maskierte Bösewichte Menschen gefangen nehmen. Man erfährt nie, wieso, aber befreit werden müssen sie natürlich trotzdem. Entweder, indem man den Boss bedroht und seine Schergen fesselt oder aber mittels einiger schneller Schüsse. Die letztere Variante gibt allerdings Minuspunkte in Sachen Moral, was in einigen fehlenden Bonusgegenständen resultieren kann. Auch dies ist in der Theorie eine lustige Idee, aber leider nicht in der Praxis.

Salem und Rios sind über-badass, das wissen alle, die das erste Spiel gespielt haben. Es fühlt sich einfach nicht richtig an, sie herumschleichen und Gangstern Handschellen anlegen zu sehen, nur um nicht ein paar Bonuspunkte zu verlieren. Außerdem sind die Geiselbefreiungen viel zu häufig und passen nicht richtig in die Story und das Geschehen. Die Moral kann außerdem von Ereignissen in den Leveln geboostet oder geschmälert werden, zum Beispiel davon, wenn man am Anfang des Spiels ein Waffenlager ausräumt, obwohl es bewacht wird. Das Ganze ist aber nur halbherzig gemacht und obwohl es sich natürlich besser anfühlt, sich nicht mit der Wache anzulegen, wäre es wünschenswert gewesen, wenn das eigene Handeln härtere Konsequenzen gehabt hätte.

Jetzt noch eine Warnung für alle, die das Spiel alleine spielen wollten: Die Künstliche Intelligenz ist weit vom Optimum entfernt. Natürlich machen die Gegner manchmal so elegante Dinge wie ihre Kumpels heilen, aber sie sind konstant in der Defensive und machen eigentlich nichts anderes als herumzuschießen ohne Gedanken zu verschwenden an Vormarsch oder Umzingeln. Das färbt auch auf die K.I. des virtuellen Kumpels ab. Er versteht nie, dass er seine Gegner markieren soll, um tatsächlich zusammenzuarbeiten. In einer Situation verweigerte er sich, einen Gegenstand umzuwerfen, der uns im Level weiterbringen sollte. Das Resultat war ein nerviger Neustart. Wenn sich ein Sofakumpel auf diese Weise störrisch zeigen würde, ließe sich die Sache lösen, aber mit künstlicher Intelligenz ist das schwieriger...

Wer Freunde zum Zocken hat, dem sei geraten, Army of Two: The 40th Day online zu spielen. Wo der Vorgänger pflichtschuldigst nur einen semi-unbeholfenen Onlinemodus hatte, ist dieser jetzt zu vier unterschiedlichen Modi ausgebaut (von denen einer für einen Monat lang exklusiv all jenen vorgehalten ist, die das Spiel vorab bestellt hatten). Am unterhaltsamsten ist Warzone, in dem sich ständig die Spielweise ändert zwischen Angriff und Verteidigung. Außerdem gibt es Extraction (der Exklusivmodus), der am meisten an Firefight aus Halo 3: ODST und Horde aus Gears of War 2 erinnert.

Auch wenn in Army of Two: The 40th Day vieles bedeutend besser als im Vorgänger aussieht, ist dies hier kein besonders hübsches Spiel. Es ist grob, die Kamera ist nicht immer kooperativ und weil man sich nur in Shanghai aufhält, lässt die Abwechslung in den Umgebungen zu wünschen übrig. Das Ganze ist aber auch nicht schlecht. Aber obwohl der Vorgänger bereits eine gute Grafik und ein gutes Design hatte, hätte mehr drin sein müssen. Zum Glück sind viele Spezialeffekte richtig gut, was das Gesamtbild etwas verbessert.

Alle, die sich Sorgen gemacht haben, dass EA mit der PS3-Fassung geschlampt hat, können sich beruhigen. Es ist fast unmöglich, einen Unterschied zwischen den beiden Versionen zu sehen und abgesehen von etwas besseren Schatten auf der Xbox 360 liegen beide gleich auf. Auch der Sound ist richtig gut und tatsächlich einer der Anlässe zur Freude. Es knallt schön, die Explosionen, die die Vernichtung von Shanghai begleiten, spürt man im Körper und die Synchronschauspieler machen einen super Job.

Army of Two war ungehobelt, unbeholfen und etwas unpoliert, als es herauskam, was sehr gut zu den beiden Draufgängern Salem und Rios passte. Army of Two: The 40th Day hat viel mehr Finesse und Salem und Rios wurden zu zwei lebendigen Charakteren, was das schöne Idiot-Macho-Gefühl ziemlich dämpft. Obwohl ein paar Ideen wie der Moralmesser und all die Geiseln gerne auf dem Zeichentisch hätten bleiben können, ist es EA dennoch auf eine gute Art und Weise gelungen, das Konzept weiterzuentwickeln. Das hier ist nicht mehr nur eine Kopie anderer Konzepte, sondern eine schöne Rock'n'Roll-Interpretation der Koop-Kriegskunst.

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07 Gamereactor Deutschland
7 / 10
+
Gut gemachte Koop-Action, spitzen Onlinemodus, souveräne Soundeffekte, gut gemachtes Waffenpimpen
-
Schlechte Künstliche Intelligenz, störrische Kamera, Moral-Part ist überflüssig
overall score
ist die Durchschnittswertung von Gamereactor. Wie hoch ist eure Wertung? Die Durchschnittwertung aller Gamereactor-Redaktionen wird aus den Wertungen in allen Ländern erhoben, in denen es lokalen Gamereactor-Redaktionen gibt

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