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13 Sentinels: Aegis Rim

13 Sentinels: Aegis Rim

Fast ein Jahr nach dem japanischen Startschuss bekommen wir das preisgekrönte Sci-Fi-Abenteuer zu Gesicht. Hat sich das Warten auf die Lokalisation gelohnt?

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Neben dem japanischen Originalton werden englische Stimmen und deutsche Untertitel angeboten.

Vor ein paar Wochen hätte ich nicht geglaubt, dass ich aus 13 Sentinels: Aegis Rim schlau werden würde. In dieser atemlos erzählten Geschichte über das Ende der Menschheit folgen wir mehr als einem Dutzend unterschiedlicher Charaktere, die alle mehr weniger auf das gleiche Ziel zusteuern - häufig ohne es zu wissen. Euch erwartet ein dichtes Gewirr aus Manipulation, Versprechungen und emotionalen Zwickmühlen, das uns Entwickler Vanillaware in kurzen Abschnitten stetig weiter aufdröseln lässt. Zu entschlüsseln, was all diesen Figuren widerfahren ist, wie sie zueinander stehen und was sie gemeinsam aus der wirklich verzwickten Situation machen, das ist der Kern von 13 Sentinels: Aegis Rims knapp 40 stündiger Erfahrung. Und ich sollte anmerken, dass dieses Konstrukt dem japanischen Team wahrlich meisterhaft gelungen ist.

Die umfassende Sci-Fi-Geschichte tastet so ziemlich jede futuristische Pseudowissenschaft ab, für die man sich aktuell interessieren könnte. Ihr solltet die Informationen, die euch 13 Sentinels: Aegis Rim vor die Füße wirft, deshalb äußerst aufmerksam aufnehmen, denn das hier ist keine klassische Abendunterhaltung für erschöpfte Geister. Das Game wird in kurzen, charaktergebundenen Episoden erzählt, die sich gegenseitig vorantreiben. Erhält eine Figur eine neue Erkenntnis, hilft dieser Ansatzpunkt im fortgeschrittenen Handlungsverlauf anderer Protagonisten weiter. Die Kapitel der 13 unterschiedlichen Hauptfiguren können wir im normalen Spielverlauf deshalb nicht chronologisch erleben - wir würden der Sci-Fi-Odyssee inhaltlich sonst gar nicht folgen können.

Das Spiel ist im Kern eine Mischung aus simplen 2D-Adventure-Abschnitten und rundenbasierten Strategiekämpfen aus der Iso-Perspektive. In den Story-Sektionen übernehmen wir die Kontrolle über einen der 13 Protagonisten, mit dem wir verschiedene Bereiche erkunden und nach neuen Hinweisen suchen. Gelangen wir während eines Gespräches zu einem interessanten Gedanken oder beobachten wir etwas Spannendes, können wir das Thema an anderer Stelle vertiefen und aufgreifen, um wiederum neue Infos zu erhalten und somit Fortschritte zu erzielen. Das hört sich vielleicht kompliziert an, ist spielerisch aber ganz simpel und wird unterstützend visualisiert.

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Den vielen parallel stattfindenden Einzelgeschichten zu folgen, ist keine leichte Sache, doch am Ende werden alle offenen Fragen geklärt.

Zeit und Raum verlieren in 13 Sentinels: Aegis Rim sehr schnell an Relevanz, zumindest bis das Konstrukt der Welt offenbart wird und die Spieler hinter die Fassaden blicken. Bis dahin werden wir durch verschiedene Epochen gescheucht, durchbrechen mehrmals die Grenzen der Kausalität und sehen die Visionen einer antiken Vergangenheit. Die meisten Figuren folgen einem linearen, chronologischen Pfad, doch einige Story-Abschnitte sind abwechslungsreicher gestaltet worden. Manchmal sind wir zum Beispiel in einer Situation gefangen, die uns - ähnlich wie in "Und täglich grüßt das Murmeltier" - die gleiche Szene immer und immer wieder abspielen lässt, während wir auf der Suche nach dem Ausgang aus der Schleife sind.

Bereichert und aufgeweicht wird diese Adventure-Komponente mit einem Strategieaspekt, denn die 13 Figuren fechten im Hintergrund der Ereignisse die finale Schlacht aus, um die drohende Apokalypse doch noch abzuwenden. Im Cockpit der mächtigen Sentinels, das sind 35 Meter hohe Kampfroboter, müssen wir heranstürmende Horden von Alien-Robotern bekämpfen, die spezielle Reaktoren zerstören wollen. Maximal sechs Kämpfer dürfen an einer Schlacht teilnehmen und selbst wenn wir alle 13 Roboter gleichzeitig auf das Schlachtfeld beordern könnten, wären wir der feindlichen Übermacht zahlenmäßig nicht einmal ansatzweise gewachsen.

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13 Sentinels: Aegis Rim setzt vollständig auf die Machtfantasie vom Steuern haushoher Kampfmaschinen, die Hunderte gefährlicher Feinde mit einem einzigen Streich eliminieren. Unsere Truppen verfügen über unvorstellbare Feuerkraft, dank der sie die feindlichen Kaiju in weiten Gebieten unschädlich machen können. Die Sentinels sind individuell und jeder Pilot verfügt über Alleinstellungsmerkmale, die sich mit voranschreitendem Charakterlevel ausprägen. Wir müssen die Roboter auch zwingend weiterentwickeln, um der sich ebenfalls anpassenden, wachsenden Herausforderung der Kämpfe gerecht zu werden.

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Vanillaware verbeugt sich in diesem Spiel auch vor den vielen bedeutenden Medien, die ihnen die nötige Inspiration für 13 Sentinels: Aegis Rim gespendet haben.

Das Ergebnis dieser vordergründig rundenbasierten Erfahrung ist vor allem eines: unübersichtlich. Das Problem liegt in der vereinfachten Darstellung von Angriffsradien, anhaltenden Gebietseffekten und in der Visualisierung von Zeit. In Kombination mit der schwindelerregend hohen Anzahl von Feinden und der festen Kameraperspektive ist das Spielerlebnis alles andere als einladend und es erschwert das präzise Steuern. Vor allem in den späteren Missionen fühlte ich mich regelmäßig sehr überfordert, denn den vom Himmel regnenden Kaiju-Horden muss man immer einen Schritt voraus sein. Der Schwierigkeitsgrad von 13 Sentinels: Aegis Rim bleibt dank der mächtigen Charakterentwicklung die meiste Zeit über allerdings sehr human (nur die letzte Mission ist etwas anderes).

Hübsch ist diese Auskopplung nicht unbedingt, aber sie beweist, dass Entwickler Vanillaware nicht nur seichte Plattforming-Adventure hinbekommt. Und trotz des Gemeckers muss ich klarstellen, wie überraschend viel Spaß ich mit diesem Spielmodus hatte. Die sehr limitierte Gegner-KI folgt simplen Angriffsroutinen, die den wendigen Sentinels nicht viel entgegenzusetzen haben. Ihre zahlenmäßige Übermacht gleicht das allerdings aus, deshalb müssen wir unsere Streitkräfte entsprechend priorisieren und auf etwaige Überraschungen vorbereitet sein. Sonst werden wir schlicht und ergreifend überrannt und verlieren die Kontrolle.

Vor und nach diesen Kämpfen erhalten wir weitere Informationsfetzen und die Charakterentwicklung unserer jungen Spielfiguren wird dabei ebenfalls sehr niedlich aufgegriffen. Der Cast besteht im Wesentlichen nämlich aus Teenagern und jungen Erwachsenen, die trotz all der übernatürlichen Vorkommnisse auch einen Alltag mit erwartbaren Problemen durchleben. Emotionen, Gefühle und Beziehungen sind ein ebenso wichtiges Thema, wie Popkultur, Essen und die eigene Unsicherheit. Vanillaware will auf Erlebnisse, die einem warm ums Herz werden lassen, nicht verzichten, denn diese Geschichte lehrt uns auch, die Hoffnung niemals aufzugeben.

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Im Spielverlauf wechseln wir ständig zwischen verschiedenen Akteuren und den isometrischen Strategieschlachten hin und her.

Visuelle und narrative Abenteuer punkten häufig mit überraschenden Plot-Twists und Variationen von bekannten, sowie von unbekannten Versatzstücken. Vanillaware greift die Formel auf und macht daraus etwas Eigenes mit hohem Wiedererkennungswert. Besonderes Lob verdient dabei das großartige Storytelling von 13 Sentinels: Aegis Rim, denn während Danganronpa, Zero Escape und Steins;Gate ähnlich spannende Ideen ergründen, die (mal mehr, mal weniger gut) rübergebracht werden und sich deshalb so sehr im Kopf verankern, spielt dieses Abenteuer auf einem ganz anderen Level. Das trifft gleichermaßen auf die Tragweite des zentralen Konflikts zu, sowie auf die Auflösung und wie das alles präsentiert und eingefangen wird.

Mit 13 Sentinels: Aegis Rim liefert Vanillaware nämlich eine weitere Augenweide ab, die sich in die Netzhäute vieler Spieler einbrennen wird. Der Titel hat eine überschaubare Anzahl an Set-Pieces, die alle in einem bestimmten Stil gehalten sind. Die tiefstehende Sonne spiegelt sich im reflektierenden Linoleum und auf den sauber polierten Schulbänken, während bei Nacht grelle Neonreklamen die Stadt in ein einziges Lichtermeer verwandeln. Die Figuren vor diesen Kulissen einzufangen, daran kann sich ein menschliches Auge nicht sattsehen - selbst wenn das Design ab und zu Limitierungen in den ausgewaschenen 2D-Schablonen aufzeigt. In meinen Augen ist es trotzdem ohne Zweifel eines der hübschesten Spiele dieses Jahres.

13 Sentinels: Aegis Rim ist das letzte Spiel, das ich schon Anfang des Jahres unbedingt spielen wollte. Das Warten auf die Lokalisierung hat sich gelohnt, denn das hier ist eines der am spannendsten erzählten Abenteuer, die ich seit langem erleben durfte. Und es ist gleichzeitig das dichteste Gedankenkonstrukt, in das ihr euch dieses Jahr verlieren könnt. Obwohl wir die Puzzleteile während des gesamten Spielverlaufs grob beieinander anordnen können, werden einem das Gesamtbild und das Ausmaß dieser fantastischen Geschichte erst ganz am Ende gewahr. Doch sobald alles zusammenfällt und ihr schließlich realisiert, was sich da gerade vor eurem geistigen Auge auftut, könnt ihr diese wunderbare Reise umso mehr wertschätzen.

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Der Blick in die untergehende Abendsonne erwärmt das Herz und versprüht Sehnsucht.
09 Gamereactor Deutschland
9 / 10
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einnehmende Präsentation, Kämpfe erfüllen Mech-Machtfantasien, einfache Erklärung komplizierter Sci-Fi-Sachverhalte, umfangreiche Archiv-Funktion hilft jederzeit bei Verständnisfragen.
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viele Figuren und vielschichtige Themen setzen wachen Verstand voraus, Kämpfe sind unübersichtlich und instabil (selbst auf PS4 Pro).
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